: Die Hartmann-Story
Im Streit mit Swantje Hartmann hat der SPD-Unterbezirk Delmenhorst einen für Montag geplanten außerordentlichen Parteitag zur Abwahl der Politikerin abgesagt. Aber: Was war gleich noch mal der Grund für diese Sommer-Posse?
VON BENNO SCHIRRMEISTER
Swantje Hartmann bleibt Bürgermeisterin von Delmenhorst und darf sich vor der Schiedskommission der Partei verantworten. Zugleich ist der Unterbezirksparteitag abgesagt. Das ist das Ergebnis von seit Wochenbeginn geführten Verhandlungen zwischen den Anwälten der 35-jährigen Landtags-Abgeordneten und des Landespartei-Chefs Garrelt Duin. Mit der Anrufung der Schiedskommission entspricht die Partei nun einer seit Anfang Juli von Hartmann erhobenen Forderung nach einem fairen Verfahren.
Der abgesagte Unterbezirkssonderparteitag hätte ein einziges Ziel gehabt: Die Laufbahn der noch im April als Hoffnungsträgerin der Niedersachsen-SPD gehandelten Hartmann zu beenden. Die vormalige Landes-Vize hätte nun auch noch aus dem Unterbezirksvorstand gewählt und zum Rücktritt von ihrem Bürgermeisterposten aufgefordert werden sollen. Letzteres hatte sie ausgeschlossen und zugleich angekündigt, gegen eine Abwahl aus dem letzten verbliebenen Parteiamt mit rechtlichen Mitteln vorzugehen. Die Anrufung einer unabhängigen Instanz zur Konfliktschlichtung war Hartmann bislang von den Parteigremien verwehrt worden. In einer Erklärung heißt es, sie nehme „mit Befriedigung“ zur Kenntnis, dass Duin nun ihren Vorschlag aufgreife.
Zuspruch erhält Hartmann seit Beginn der vermeintlichen Affäre aus der Bevölkerung: „So eine Flut an Leserbriefen zu einem Thema hatten wir lange nicht mehr“, sagt Ulrich Arlt, stellvertretender Chefredakteur des Delmenhorster Kreisblatts. Ganze Seiten füllten sie diese Woche – und „etwa 95 Prozent der Zuschriften“ waren Laut Arlt „pro Hartmann“.
Grund dafür ist der Mangel an konkreten Vorwürfen: Zuletzt ging es um eine parteifinanzierte Partner-Bahncard Erster Klasse und die strittige Abrechnung eines Mobiltelefonvertrags. In beiden Fällen ist unklar, ob der SPD dadurch ein Schaden entstanden ist. An der strafrechtlichen Front tut sich ohnehin nichts: „Es gibt keine Ermittlungen gegen Swantje Hartmann“, sagt der Sprecher der Oldenburger Staatsanwaltschaft, Rainer du Mesnil de Rochemont, „und auch nicht gegen Duin“. Im Visier haben die Strafverfolger allein Lars E. – den ehemaligen Geschäftsführer des Bezirks Weser-Ems. Und Hartmanns Ex.
Er soll Geld veruntreut haben. Von 50.000 Euro wird gemunkelt. „Das ist noch nicht ausermittelt“, sagt du Mesnil. Geprüft werden die Bücher bis 2006 – erledigte Geschäftsjahre also und vom Vorstand genehmigte Berichte. Dessen Vorsitzender heißt seit 2002 Garrelt Duin. Seine Stellvertreterin damals: Hartmann. Die fühlte sich in „Sippenhaft“ genommen – was sie sich nicht gefallen ließ: Verantwortung für die Kassenführung, ließ sie im Juli den Bezirksvorstand wissen, könne „nur der Vorsitzende übernehmen und nicht die ehemalige Lebensgefährtin des Geschäftsführers.“
Bis Jahresbeginn galten Duin und Hartmann als eingespieltes Team. Anfang Mai war aber klar: Es musste einen Bruch gegeben haben. Drei Wochen bevor er bei der Anti-Korruptionsdebatte im Bundestag vor „Schäden, die durch vorschnelle Verdächtigungen entstehen“, warnen sollte, hatte Duin per Eilmeldung zur Pressekonferenz geladen. Im Landtag weinte er in die aufgebauten Kameras und verkündete mit zittriger Stimme den Rücktritt – von Hartmann.
Auslöser war eine Falschmeldung im Weserkurier. Der Zeitung war ein Dokument zugespielt worden, demzufolge Hartmann während ihres Studiums hätte einen Offenbarungseid leisten müssen – was, wäre es wahr gewesen, schlecht zum Posten der finanzpolitischen Fraktions-Sprecherin gepasst hätte.
Während Hartmann also mit ihren Anwälten am Wortlaut einer eidesstattlichen Erklärung feilte, um das Gerücht zu dementieren, mimte Duin vor den Journalisten den neuen Mann – allerdings mit Fehlern im Skript: Hartmann habe möglicherweise, so zitiert ihn dpa, „von einem höheren Einkommen ihres Lebenspartners profitiert“.
Den Unmut auch von ihr wohlgesonnenen Landtags-Kollegen erregte Hartmanns aggressive Selbstverteidigung via Medien. Mehr als einer hätte sich gewünscht, dass sie sich wegduckt – um sich mittels Sacharbeit erneut zu empfehlen. Den Eskalationsgrad aber erklärt das nicht: Ursachenforscher müssen sich der vor dem Landtagswahl-Desaster angeknacksten Partei-Psyche zuwenden.
So scheint der Ursprung mindestens einer Konfliktlinie im allzu engen Beisammensein auf Borkum zu liegen: Im April hatten sich die SPDler dort zur Klausur getroffen. Schon dass die damals noch unbescholtene Partei-Vize vorab offensive Pressearbeit betrieb, fand nicht den ungeteilten Beifall. Das Fass zum Überlaufen soll dann ein Foto gebracht haben, auf dem Hartmann mit Fraktions-Chef Wolfgang Jüttner im Strandkorb posierte, an dessen Seite ein dreitagebärtiger Duin lehnt. Die andere Seite? „Da war“, erinnert sich die Agentur-Fotografin, „noch eine Frau, die immer mit drauf wollte.“ Bloß sei die „für mich total uninteressant gewesen“ – oder wenigstens für die Agentur. Irgendjemand muss Johanne Modder schließlich weggeschnitten haben. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende profilierte sich neben Duin als treibende Kraft der Hartmann-Schelte.
Der wiederum hat oft durchblicken lassen, dass er 2013 als Wulff-Herausforderer antreten will. Während allerdings gerätselt wird, wie der inhaltlich schwer fassbare, im Umgang mit den Medien ungelenk wirkende Spross des Leeraner Bürgertums aus der großen Berliner Koalition sein landespolitisches Profil schärfen will, hatte die HAZ schon Anfang Februar ausgemacht, wer „Duin gefährlich“ werden könne: Nicht zuletzt das Arbeiterkind Swantje Hartmann.
Deren Punktsieg vom Donnerstag ist kein Schlussstrich. Er könnte aber den Schwerpunkt der Affäre verlagern. Denn belegt ist damit, dass die Anrufung einer Schiedskommission allein vom Votum des Landesvorsitzenden abhing. Nicht beantwortet aber ist die Frage, warum er damit so lange gewartet hat.