OFF-KINO : Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
Wie die Welt unter Wasser tatsächlich aussieht, konnte das Kinopublikum erstmals in den Fünfzigern erfahren, als sowohl die Tauch- als auch Farbfilmtechnik es endlich zuließen, dass Pioniere wie Jacques-Yves Cousteau und Hans Hass mit ihren Forschungsschiffen die Weltmeere bereisten und entsprechende Aufnahmen machten. Als wohl erster Film seiner Art entstand 1954 Hans Hass’ nach dem Namen seiner umgebauten Yacht benanntes Werk „Unternehmen Xarifa“, ein Dokumentarfilm mit kleinen Spielszenen und Spannungsmomenten, in deren Mittelpunkt der Forscher seine hübsche Frau Lotte stellte. Denn obwohl Hass’ wissenschaftliche Ambitionen nicht in Frage standen, wusste er doch nicht, wie eine reine Unterwasser-Dokumentation beim Publikum angekommen wäre – niemand hatte bislang etwas Derartiges gedreht. Wie sich Hass später erinnerte, ließ er sich deshalb aus Hollywood den Spielfilm „Marco Polo“ kommen, um am Schneidetisch den Spannungsaufbau eines fiktiven Films zu studieren, und seine Erkenntnisse dann auf die eigene Dokumentation anzuwenden. Das Ergebnis sieht nach heutigen Maßstäben vielleicht ein wenig naiv aus, wirkt aber allemal charmant. Spektakulär sind die Unterwasseraufnahmen in ihrer prächtigen Farbigkeit noch heute, und man kann daran vielleicht ermessen, wie beeindruckend sie für das zeitgenössische Publikum gewesen sein müssen.
Einen seiner interessantesten Filme drehte Roman Polanski kurz nach seiner Übersiedelung in den Westen: „Repulsion“ entstand 1964 in Großbritannien mit Catherine Deneuve in der Hauptrolle. Die Mimin verkörpert die Kosmetikerin Carole, die sich vor Männern und Sex fürchtet und deren Ängste schließlich zu Halluzinationen und fürchterlichen Gemetzeln führen. Seinen Produzenten hatte Polanski das Sujet als Horrorfilm verkauft, doch tatsächlich ist „Repulsion“ (ähnlich wie später „Der Mieter“) eher eine außergewöhnlich penible Studie geistigen Verfalls, zu dem das Umfeld der jungen Frau nach Kräften beiträgt: Ihr Verehrer braucht ein „Erlebnis“, mit dem er vor seinen Kumpels angeben kann, der verheiratete Liebhaber ihrer Schwester ist ein gedankenloser Wüstling, und im Kosmetiksalon wird sowieso ausschließlich über die Schlechtigkeit der Männer getuschelt. Da freut man sich so richtig, wenn Carole endlich im Wahn zum Messer greift. Im Rahmen der Polanski-Retro im Babylon Mitte.
Auch der dänische Regisseur Carl Theodor Dreyer begriff Horror eher als eine Art absonderlichen Albtraum: Sein „Vampyr“ aus dem Jahr 1932 enthält sich der vordergründigen Schauereffekte und lässt im Spiel von Licht und Schatten Raum für die Fantasien und Ängste des Betrachters. Aus den geringen zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln resultierte die große künstlerische Freiheit des Films: Mit einem auf das Minimum reduziertem Dialog erwies sich die Kamera von Rudolph Maté als für einen frühen Tonfilm erstaunlich agil und folgt dem Helden auf seiner somnambulen Suche nach dem Vampir, der das Leben einer jungen Frau bedroht, durch die weißen Korridore eines abgelegenen Gasthofes. LARS PENNING
„Unternehmen Xarifa“ 23. 8. Open Air Kulturfabrik Moabit
„Ekel“ (OmU) 23. 8. im Babylon Mitte
„Vampyr – Der Traum des Allan Gray“ (OmeU) 23. 8. Tilsiter Lichtspiele