: Musik aus dem Niemandsland
Ihr inzwischen viertes Album mit unaufdringlicher Instrumental-Rockmusik mit elektronischen Einsprengseln hat die Hamburger Band „Halma“ in die Läden gebracht. Und hat die Beschäftigung damit schon wieder eingestellt: Denn Spaß, sagen die vier Musiker, macht eigentlich nur die Kreativphase
VON SEBASTIAN BRONST
Für „Halma“ sind es spannende Zeiten. Irgendwo in einer Art von künstlerischem Niemandsland. Wenn die vier Musiker der Hamburger Band heute ebendort ihr viertes Album vorstellen, dann sind sie im Kopf eigentlich schon ganz woanders. Erledigt nämlich ist nun das, worum es der Band bei ihrer assoziativen Instrumentalmusik vor allem geht: das zwanglose Entwickeln von Ideen, das schöpferische gemeinsame Arbeiten im Proberaum.
„Gedanklich sind wir schon beim nächsten Album“, sagt Gitarrist Andreas Voß. Zugleich warten „Halma“ nach Monaten der konzentrierten Kreativität im kleinen Kreis aber auch begierig darauf, wie ihre persönlichen musikalischen Bilder beim Publikum ankommen. „Man hat Herzblut hineingelegt“, sagt Bassistin Anna Bertermann, „da ist man auf die Reaktionen gespannt.“
Rund zwei Jahre haben die vier an dem Nachfolger ihres dritten Albums „Back to Pascal“ gewerkelt. Zwischendurch schrieben sie preisgekrönte Filmmusik, ließen sich von befreundeten Künstlern inspirieren und nahmen sich die Zeit, die eigenen Stimmungen zu ergründen. Nun legen sie mit „Broad Peak“ eine Platte vor, die sich von ihrem Vorgänger unterscheidet, dabei allerdings nicht mit ihm bricht. Geblieben ist es bei der für „Halma“ typischen, unaufdringlichen, entspannten Instrumental-Rockmusik mit elektronischen Einsprengseln. Aber die acht Stücke auf „Broad Peak“ sind um einiges heller als die des melancholisch-düsteren Vorläufers. Zugleich ist „Broad Peak“ musikalisch deutlich weniger homogen: Wirkte „Back to Pascal“ noch wie aus einem Guss, variieren nun die Stimmungen stärker – die Bandbreite reicht von melodiösem Rock mit dichten, vorhangartigen Gitarrenriffs („Sunken Garden“) über das filigran arrangierte „San Andreas Fault“ bis hin zum dunkleren „Opal“ mit seinen loopartigen Bassschleifen.
Verglichen mit „Back to Pascal“ lebe das neue Album mehr von musikalischen Kontrasten und habe sich klar von dessen Stimmung gelöst, findet auch Bassistin Anna Bertermann: „Es ist ein Aufbruch.“ Einer mit Ankündigung übrigens. Denn schon unmittelbar nach der Fertigstellung von „Back to Pascal“ war der Band klar, dass ein künftiges Album anders sein würde. „Da war so eine Stimmung: Was haben wir da eigentlich gemacht?“, erzählt Schlagzeugerin Fiona McKenzie.
Diese Offenheit für neue Wege folgt aus dem Selbstverständnis von vier musikalischen Individualisten, die sich bei ihrer Arbeit kein vorab definiertes Ziel setzen. Es sind Assoziationen und spontanes Improvisieren, die das ungewöhnliche Projekt speisen. „Halma“ fanden sich 1999 als Easy-Listening-Coverband in Rockbesetzung zusammen, entwickelten sich dann aber schnell zu einer Gruppe mit eigenem künstlerischen Anspruch und Stil weiter. „Wir machen ja keine Hitparadenmusik. Wir wollen an der Musik und an uns selbst forschen“, sagt Gitarrist Andreas Voß. „Die Hauptsache für uns ist, dass wir zu viert Musik machen, dass wir gucken, was dabei herauskommt – und dass wir das in eine Form bringen, die uns allen gefällt.“
Für ihren Musikstil hat die Band den Begriffe „Slowcore“ oder „Stil der Langsamkeit“ geprägt: Entspannt dahin fließende, assoziative Musik ohne klassische Songstrukturen soll es sein. Mit Ecken und Kanten allerdings, denn problemlos konsumierbaren Pop will man keinesfalls produzieren. „Bei uns gibt es wenig Entertainment“, sagt Voß. Zugleich sorgen „Halma“ aber auch dafür, dass keine avantgardistischen Hürden vor ihrem Publikum aufgeschichtet werden: Ihre Stücke sind eingängig, sie folgen einer Ordnung, die sie scheinbar problemlos genießbar macht.
Dass ihre Musik, die von Rezensenten hin und wieder mit jener der Chicagoer Band „Tortoise“ verglichen wird, überhaupt Publikum findet, davon sind die vier Musiker bis heute überrascht. Nach der Gründung ihrer Band folgten zunächst zwei Platten im Eigenvertrieb, die Resonanz war gering. Aber nachdem sie sich mit dem Hamburger Label „Sunday Service“ zusammentaten, lief es besser: „Back to Pascal“ war 2006 so etwas wie ein kleiner Durchbruch, Frankfurter Allgemeine und sogar die Deutsche Presse-Agentur besprachen die Platte. „Es gibt schon Leute, die solche Musik hören“, sagt Gitarrist Voß. Nun warten „Halma“ ab, wie die Resonanz auf das neue Album ausfällt – bleiben dabei allerdings entspannt. „Wir wissen ja, dass wir gute Musik machen“, sagt Voß. Und ergänzt: „Die Kreativphase ist das, was Spaß macht.“
Release-Konzert: heute, 21 Uhr, Hamburg, Knust