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Archiv-Artikel

„Vatertöchter haben Chancen“

Familienunternehmen werden eher an Söhne oder Außenstehende als an Töchter weitergegeben. Mit einem Themenabend der Uni Hannover widmet sich Bettina Daser der Frage, warum das so ist

INTERVIEW PETRA SCHELLEN

taz: Frau Daser, werden Töchter bei der Unternehmensnachfolge immer noch übergangen?

Bettina Daser: Ja. Dabei würde man ja eigentlich vermuten, dass Frauen in Familienunternehmen die allerbesten Chancen haben, die Nachfolge anzutreten. Tatsächlich ist es derzeit aber leichter, eine Führungsposition zu bekommen, wenn das Unternehmen nicht der eigenen Familie gehört. Wir haben deshalb gezielt untersucht, welche familiären Konstellationen verhindern, dass Frauen Nachfolgerinnen werden. Wir haben in ihren Nachfolgebemühungen erfolgreiche und gescheiterte Frauen befragt – wobei die „Gescheiterten“ beruflich alle sehr erfolgreich waren: Sie waren Managerinnen in anderen Unternehmen oder hatten selbst Unternehmen gegründet. Wir haben festgestellt, dass es nur zwei Konstellationen gibt, die es einigermaßen wahrscheinlich machen, dass Frauen zum Zuge kommen: die „Vatertochter“ oder die Konstellation „Not am Mann“, bei der kein männlicher Nachfolger verfügbar ist. Hier wurden allerdings oft schon alle anderen Varianten durchprobiert – etwa, Cousins einzubeziehen oder die Töchter anzuregen, einen geeigneten Nachfolger zu heiraten. Oft gibt es auch das Argument, dass man die Töchter schützen und ihnen einen Lebensentwurf ermöglichen wolle, den man selbst für richtig hält – und gar nicht fragt, wie die Töchter selbst leben wollen.

Töchter werden also unterschätzt?

Ja, einerseits bezüglich ihrer Führungs- und Fachkompetenz, andererseits bezüglich der Fähigkeit, ihr Leben so zu gestalten, dass darin sowohl das Unternehmen als auch das Privatleben Platz finden.

Wer bremst denn die Töchter aus?

Jedes Familienmitglied trägt auf seine Art dazu bei, die Tochter an der Nachfolge zu hindern. In den Fällen, die wir untersucht haben, erfuhren die Töchter sehr wenig Unterstützung durch die Mütter. Da gab es maximal das Delegationsprinzip, nach dem Motto: Ich konnte es nicht tun, also sollst du es tun. Abgesehen davon halten Mütter meist eher das eigene Modell hoch, das noch stark an der traditionellen Arbeitsteilung ausgerichtet ist. Beruflich wurden Töchter eher von ihren Vätern gefördert. Allerdings nicht mit dem Ziel, sie ins Unternehmen zu holen, sondern etwas für ihre Persönlichkeitsentwicklung zu tun.

Die Förderung durch Väter passt ja auch nicht ins patriarchale Modell.

Jein. Anders als der Sohn, in dem der Vater immer auch ein Abbild seiner selbst – und einen potentiellen Konkurrenten – sieht, wird die „Vatertochter“ nicht so sehr als Konkurrentin wahrgenommen. Wenn sich die Eltern außerdem auf eine patriarchale Arbeitsteilung geeinigt haben – sprich: Die Mutter behelligt den Vater nicht mit Erziehungsfragen und der Vater sie nicht mit Fragen, die das Unternehmen betreffen, entsteht bei den Vätern eine emotionale Lücke. Die „Vatertochter“ bietet sich hier oft schon als Kind an: Sie verbringt schon als kleines Mädchen viel Zeit im Büro des Vaters, lässt sich Bilanzen erklären, schaut zu ihm auf, etabliert eine enge Bindung.

Warum setzen sich trotzdem so wenige Töchter durch?

Die meisten Töchter, die nicht Nachfolgerinnen wurden, hatten versucht, sich für die Position anzudienen: Sie arbeiteten im Unternehmen mit. Sie hofften, dass sie als fähig erkannt und schließlich gefragt würden. Hinzu kommt eine starke Beziehungsorientierung: Die Sorge, über den Anspruch den Bruch mit der Familie zu riskieren, bewegt viele Frauen.

Ist dieses Problem schichtspezifisch?

Nein. Es betrifft Unternehmen jeder Branche und Größe.

Wie viele Frauen haben Sie befragt?

Wir haben bundesweit ungefähr 60 Frauen in Tiefeninterviews über die Geschichte des Familienunternehmens und ihren eigenen Werdegang befragt.

Gab es regionale Unterschiede?

Wir haben keine festgestellt. Alle bewegte die Frage: Wie bekommt man ein gelungenes Anerkennungsverhältnis zwischen Vater und Tochter hin – was bedeutet, der Tochter einerseits die Chance einzuräumen, ins Familienunternehmen einzusteigen – und andererseits, so miteinander umzugehen, dass weder der Lebensentwurf der Senioren noch der der Junioren zu kurz kommt. Das ist ein Balanceakt, der nicht so oft gelingt.

Wie viel Prozent der deutschen Familienunternehmen werden von Frauen geleitet?

Familienunternehmen werden zu rund 40 Prozent familienintern übergeben. 20 Prozent davon gehen an Frauen.

Bettina Daser spricht heute an der Uni Hannover über weibliche Unternehmensnachfolge. Ihr Vortrag ist ausgebucht.

Fotohinweis:BETTINA DASER, 32, Sozio-Ökonomin, ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Gothe-Universität in Frankfurt am Main