Ein Stück Stolz verloren

Schalke 04 erleidet in der Champions-League-Qualifikation in Madrid ein Debakel und muss nun in den Uefa-Cup – ein gefühlter Abstieg. Eine Debatte über die Qualität des Kaders steht bevor

AUS MADRID DANIEL THEWELEIT

Eine heiße Spätsommernacht hatte sich über das leuchtend schöne Madrid gelegt, als die Herren Josef Schnusenberg und Peter Peters mit finsteren Blicken und schmalen Lippen durch die Gänge des Estadio Vicente Calderón schritten. Es hatte ihnen die Sprache verschlagen. Die Bitten der Journalisten um ein paar analysierende Sätze erwiderten sie wortlos. Ein kurzes Kopfschütteln, das musste reichen. Der Präsident und der Geschäftsführer von Schalke 04 haben ein Stück von ihrem Stolz verloren an diesem Abend. Mit 4:0 (1:0) war ihre Fußballmannschaft von Atlético Madrid abgefertigt worden, die Herren werden diese Saison ohne die reizvollen Begegnungen mit Europas Edelklubs auskommen müssen. Aber darin begründet sich wohl nur ein Teil ihrer Depression. „Dieses Spiel gegen diesen Gegner ist einfach zu früh gekommen für uns“, sagte Trainer Fred Rutten, und dieses zu früh gekommene Spiel reichte, um die Zukunft dieser Schalker Mannschaft in einem grundlegend neuen Licht erscheinen zu lassen.

Denn im kommenden Winter werden sie nicht als gefeierter und weltweit präsenter Champions-League-Teilnehmer nach Verstärkungen fahnden, sondern, wenn die Dinge halbwegs gut laufen, als Uefa-Cup-Teilnehmer. Außerdem fließen 15 bis 20 Millionen Euro weniger in die Klubkasse, und nicht zuletzt gehen den Profis wertvolle Erfahrungen verloren. Wie ein verheerender Tornado hat diese Nacht von Madrid eine Schneise der Zerstörung in den Schalker Plänen hinterlassen. Trost gab es keinen.

Sie mussten einfach anerkennen, dass sie an einem Gegner gescheitert sind, der ihnen hoch überlegen war. Atlético, ein Klub, der im vergangenen Sommer rund 80 Millionen Euro in neue Spieler investierte, hatte schlicht die reifere, die leidenschaftlichere und die willensstärkere Mannschaft in das große Spiel geschickt. Der fantastische Stürmer Sergio Agüero, ein 20-jähriger Argentinier, der demnächst die Tochter von Diego Maradona heiraten wird, war für die Schalker Defensive ebenso wenig greifbar wie der Uruguayer Diego Forlan. Und die Verteidigung der Spanier, die verwundbar ist, blieb über weite Strecken unbeschäftigt, weil der Bundesligist keinen guten Stürmer auf dem Spielfeld hatte.

Jefferson Farfan, der nach seiner Schultereckgelenkssprengung aus dem Hinspiel ausfiel, hätte vielleicht etwas bewegen können, seine Kollegen aus der Offensivabteilung hingegen waren erschreckend schwach. Ivan Rakitic blieb blass, Halil Altintop war ohne Bindung zum Spiel und der technisch limitierte Kevin Kuranyi war nicht zum ersten Mal überfordert mit dem Tempo und der Enge der Räume auf diesem Niveau. Mehr und mehr erweist sich der 26-Jährige als zu limitiert für die hohen Schalker Ansprüche. Ihm fehlen Schusstechnik, Sprintstärke und die Fähigkeit Eins-gegen-eins-Duelle zu gewinnen. Das sind zu viele Defizite für einen international ambitionierten Stürmer. „Wir haben gegen eine bessere Mannschaft verloren“, sagte der desillusionierte Kapitän Marcelo Bordon, der auch nicht fehlerfrei geblieben war.

Auf Schalke könnte sich angesichts der vielen Mängel in den kommenden Wochen eine Qualitätsdebatte ergeben. „In großen Spielen muss man auswärts ein Tor machen“, erklärte Rutten. Die besten Schalker Chancen vergaben beim Stande von 2:0 der Verteidiger Westermann und der Mittelfeldspieler Ernst. Das war symptomatisch. Nun hofft man in Gelsenkirchen, dass die Stärke dieses Kaders wenigstens für eine erfolgreiche Saison im Uefa-Cup ausreichen wird. Allerdings warten dort ganz neue Widrigkeiten. Die verwöhnten Schalker müssen sich einlassen auf eine Veranstaltung, die in der Regel erst am Saisonende richtig aufregend wird. Das Beispiel Bayern München aus dem vergangenen Jahr hat gezeigt, wie kompliziert das sein kann. „Der Uefa-Cup ist nicht der Wettbewerb, wo wir hinwollten, es fällt mir jetzt schwer, daran zu denken“, sagte Christian Pander. Zunächst einmal fühlt sich die Versetzung an wie ein Abstieg. „Von der Psyche her ist das schwer zu verarbeiten“, meinte auch Fred Rutten, der von allen Mitgliedern der frustrierten Schalker Delegation noch am aufgeräumtesten wirkte.

Am heutigen Freitag wird die erste Runde des Uefa-Cups ausgelost, wieder wird es zwei K.-o.-Spiele um den Einzug in die Gruppenphase geben. Und dort geht es für Schalke erneut um sehr viel. Denn im Gegensatz zu den Einnahmen aus der Königsklasse sind die Uefa-Cup-Gelder fest im Etat eingeplant. Statt einem Jahr mit Festspielen in der Königsklasse entgegenzublicken, steht Schalke nun vor einem bitter schmeckenden Pflichtprogramm. Inklusive der Gefahr, am Ende vollkommen zu scheitern.