: Analytiker als oberster Industrielobbyist
Selbst enge Mitarbeiter waren erstaunt: Nie hätten sie erwartet, dass ausgerechnet Hans-Peter Keitel den aufreibenden Posten des BDI-Präsidenten übernehmen will. Denn dieser Lobbyisten-Job ist hochpolitisch und der ehemalige Chef des Baukonzerns Hochtief gilt als „kein guter Kommunikator“. Stattdessen wird er als „sehr distanziert“ beschrieben. „Man drang im Gespräch nicht zu ihm durch, obwohl er lächelte“, erinnern sich Kollegen bei Hochtief. Offenbar wusste Keitel um diesen Charakterzug, denn meistens schickte er andere vor, wenn es galt, Verhandlungen zu führen.
Trotzdem sind seine Leistungen als Manager unbestritten. „Er war sehr strukturiert, sehr logisch“, beschreiben ehemalige Mitarbeiter den Schwaben. Selbst Superlative fallen: „Er war analytisch brillant.“ Jedenfalls ist dem heute 61-jährigen Wirtschaftsingenieur gelungen, Hochtief zum führenden Baukonzern in Deutschland zu machen – obwohl es in der Baukrise ab 1995 auch für Hochtief bedrohlich wurde.
Keitels Antwort: Im Inland baute er fast jede zweite Stelle ab und erschloss sich zugleich neue Geschäftsfelder – wie etwa den Bau und Betrieb von Flughäfen, das „Facility-Management“ von Gebäuden und Public-Private-Partnership. Nur selten gerieten diese Experimente zum Flop wie der Lübecker „Herrentunnel“: Statt die Maut für die Trave-Unterquerung zu zahlen, verstopfen die Autofahrer bis heute lieber die Lübecker Innenstadt.
Gleichzeitig internationalisierte Keitel das Geschäft von Hochtief: So kaufte er die texanische „Turner Corporation“ oder die australische „Leighton“ – beides sind heute große Ertragsbringer.
Ende 2006 kündigte Keitel überraschend seinen Rückzug von Hochtief an. Offizieller Grund: Er wolle sich mehr um seine Familie kümmern. Keitel ist verheiratet und hat drei erwachsene Kinder. Allerdings blieb er Präsident des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie – und Vize des BDI.
Im November soll Keitel nun zum BDI-Präsidenten gewählt werden. An seinem Vorgänger Jürgen Thumann fiel auf, dass er keinerlei Scheu zeigte, sich als Parteigänger von Kanzlerin Merkel zu inszenieren. Von Keitel hingegen sind eindeutige politische Stellungnahmen nicht bekannt. So ließ er sich zwar 2004 von seinen Mitarbeitern eine umfangreiche Mappe über die Agenda 2010 zusammenstellen – „falls ich gefragt werde“ –, aber es ist nicht überliefert, dass er diese Materialien je benutzt und sich zu Schröders Politik geäußert hätte.
Zurückhaltend kommentierte Keitel denn auch seine Nominierung als BDI-Präsident: Die Anfrage Thumanns sei „außerordentlich überraschend“ gekommen. ULRIKE HERRMANN