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Archiv-Artikel

Nichtgrüne Grüne für Europa

Cohn-Bendit will in Frankreich Aktivisten auf einer Europa-Wahlliste vereinen. Wird er die Nummer 1, kann in Deutschland Noch-Parteichef Bütikofer EU-Spitzenkandidat werden

PARIS/BERLIN taz ■ Daniel Cohn-Bendit will das „ökologische Sternsystem“ in Frankreich zusammenbringen. Die französischen Grünen, die GlobalisierungskritikerInnen und Mitglieder der rechtsliberalen Partei Modem sollen auf einer gemeinsamen Liste zur Europa-Wahl im Juni 2009 kandidieren. Dafür hat Cohn-Bendit etwa den Bauerngewerkschafter José Bové, Greenpeace-Chef Yannick Jadot und den Fernsehjournalisten und Umweltfreund Nicolas Hulot angesprochen. Die Liste trägt den Arbeitstitel „Europe-Ecologie“.

Zuletzt haben sich die verschiedenen Gruppen bei den französischen Präsidentschaftswahlen 2006 und zuvor 2005 in der Frage der EU-Verfassung heftig befehdet. In beiden Fällen ging der Graben auch quer durch die Partei „Les Verts“. Doch jetzt erklärt Grünen-Chefin Cécile Duflot, es sei eine eine „quasi Gewissheit“, dass Daniel Cohn-Bendit bei den Europawahlen eine gemeinsame Liste anführen werde. Eine Alternative zu Cohn-Bendits Vorschlag gibt es jedenfalls nicht. Der Greenpeace-Chef Jadot hat seine Organisation bereits verlassen, um zusammen mit Cohn-Bendit kandidieren.

Der mutmaßliche Spitzenkandidat hingegen legt sich noch nicht fest. „Spätestens Ende Oktober“ werde er sagen, ob seine Liste in Frankreich zustande kommt, erklärt Cohn-Bendit der taz. Andernfalls kandidiert er in Deutschland. Doch schon jetzt ist er stolz, Leute zusammengebracht zu haben, „die vor sechs Monaten nur Böses übereinander gesagt haben“.

Die deutschen Grünen werden sich also mit der Kür eines männlichen Spitzenkandidaten für Europa noch etwas gedulden müssen. Doch steht der Noch-Parteichef Reinhard Bütikofer für den zweiten Listenplatz – den ersten „Männer-Platz“ – bereit. Wenn Cohn-Bendit in Frankreich kandidiert, „müsste er den schon bekommen“, heißt es übereinstimmend bei den Grünen.

Auch bei den deutschen Grünen zeichnet sich ein Trend zur Öffnung der Europa-Liste für geneigte Aktivisten ab. So wird die Deutschland-Chefin von amnesty international, Barbara Lochbihler, für einen vorderen Platz gehandelt. Der Mitgründer von Attac Deutschland, Sven Giegold, will für den Landesverband Nordrhein-Westfalen nach Brüssel und Straßburg. Er sagte der taz, „die Grünen können mit einer Öffnung zur Zivilgesellschaft nur gewinnen“.

Die Erfahrung eines Bundestagsabgeordneten will dagegen der Bündnis-90-Gründer Werner Schulz aus Berlin nach Europa tragen. Im Bundestag habe er erlebt, „mit welcher Oberflächlichkeit und Leichtfertigkeit EU-Vorlagen durchgewunken werden“, sagte Schulz zur taz. Dies wolle er als Kandidat für Thüringen/Sachsen/Sachsen-Anhalt verhindern. Schulz schied 2005 aus dem Bundestag aus. Er hatte die Neuwahlentscheidung des Kanzlers Gerhard Schröder ausführlich kritisiert.

Im Januar 2009 wollen die deutschen Grünen auf einem Parteitag ihre Kandidaten wählen. Gegenwärtig stellen sie 13 Europa-Abgeordnete. DOROTHEA

HAHN, ULRIKE WINKELMANN