Doppelt verhört hält besser

Hamburger Ausländerbehörde übernimmt Federführung im Norden bei der geplanten Sammelabschiebung von 280 Flüchtlingen aus Sierra Leone. Grüne haben Bauchschmerzen

VON KAI VON APPEN

Wenn sich Hamburg schon mal das Know how bei Sammelabschiebungen erworben hat, dann sollte es auch genutzt werden – nach diesem Motto ist der hiesigen Ausländerbehörde von der Bundespolizei die Federführung für Sammelinterviews übertragen worden, die der „Rückführung von Flüchtlingen“ nach Sierra Leone dienen. Als Hilfstrupp reist eine Delegation von fünf Mitarbeitern des Außen- und Innenministeriums von Sierra Leone an, die ab Montag in Wandsbek Quartier bezieht. In einem benachbarten Polizeireiver müssen sich dann langjährig geduldete Flüchtlinge einer Identitätsfeststellung unterziehen. Erhärtet sich der Verdacht,ws dass sie aus Sierra Leone kommen, werden sie abgeschoben.

280 Menschen aus den gesamten Norden haben Vorladungen zu dem Sammelinterview bekommen. Die Kosten für die Anreise der Delegation aus Sierras Leone trägt die Ausländerbehörde, um im Rahmen des Europäischen Weisung „Return 2006“ Abschiebungen vorzubereiten. „Die Vertreter haben alle Befugnisse“, bestätigt Ausländerbehördenchef Ralph Bornhöft. „Im positiven Fall können sie direkt einen Pass ausstellen“, so Bornhöft. „Oder eben Pass-Ersatzpapiere.“

Die 63 aus Hamburg vorgeladenen Personen sind bereits 2001 bei einer Anhörung als Staatsbürger Sierras Leones anerkannt worden. Sie gehörten damals zu einer Gruppe von 100 Personen, denen aber keine Pass-Ersatzpapiere ausgestellt wurden. Nun ist ihnen die Staatsbürgerschaft ausdrücklich wieder aberkannt worden. „Das ist zwar blöd und unverständlich für die Betroffenen“, gesteht Bornhöft. Der Ausländerbehörde sei mitgeteilt worden, dass der damals festgestellte Status nicht mehr gültig sei.

Für Experten stellt sich jedoch die Frage, ob diese Personengruppe nicht durch das neue Bleiberecht vor Abschiebung geschützt sind. „Wenn wir so einen Fall gehabt hätten, hätten wir sofort einen Aufenthaltsstatus eingeklagt“, sagt Anne Harms von der kirchlichen Flüchtlingsorganisation „Fluchtpunkt.“

Derartige Sammelanhörungen sind nicht neu, aber weiter umstritten. Zwischen 1999 und 2001 fanden unter Rot-Grün 25 solcher Identitätsfeststellungen mit dubiosen Delegationen aus den diversen Staaten statt. Die Abschiebebehörden nehmen gern solche Hilfe in Anspruch, um der mangelnden Kooperation der Botschaften bei Abschiebungen entgegenwirken.

Dass nun gerade wieder diese Sammelüberprüfungen – wenn auch auf Anweisung von EU-Kommissionund Bundespolizei – unter einem schwarz-grünen Senat reaktiviert werden, erfreut die Grünen gar nicht. „Es ist von der Ausländerbehörde zugesichert worden, dass die Betroffenen einen Rechtsbeistand sowie einen Dolmetscher hinzuziehen können“, so die GAL-Innenpolitikerin Antje Möller.

Nach taz-Informationen ist auch fraglich, ob Hamburg unter Schwarz-grün noch einmal die Federführung für eine solche Maßnahme übernimmt. Für die jetzt Betroffenen ist das jedoch kein Trost.