: Die selbsternannte „Madame Sushi“
Sie vergleicht sich mit Condoleezza Rice, sagt aber auch, sie sei nicht Japans Margaret Thatcher. Auch mit US-Vizepräsidentschaftkandidatin Sarah Palin möchte sie nicht verglichen werden. Yuriko Koike will die erste weibliche Vorsitzende von Japans Liberaldemokratischer Partei (LDP) werden, womit sie bei den Mehrheitsverhältnissen auch Japans erste Ministerpräsidentin wäre.
Ist das konservative Nippon reif für eine Frau an der Regierungsspitze? Zum einen hat Koike in der besonders konservativen LDP nur Außenseiterchancen, zum anderen zweifelt sie selbst. Wenn Hillary Clinton sage, Frauen in den USA würden beim Aufstieg an eine Decke aus Glas stoßen, so Koike, „dann ist diese in Japan nicht aus Glas, sondern aus Stahl“. Natürlich stellt sich auch bei Koike die Frage, ob sie überhaupt geeignet und was von ihr zu erwarten ist. Im Vergleich mit ihren überwiegend grauen Konkurrenten ist sie ausgesprochen farbig, wenn sie sich auch kaum von deren geringer Programmatik unterscheidet.
Die unverheiratete Koike studierte in Kairo Soziologie und Arabisch, schrieb Sprachlehrbücher und arbeitete als Dolmetscherin. Später wurde sie TV-Journalistin, interviewte Jassir Arafat und Muammar Ghaddafi. 1992 wechselte sie in die Politik, zunächst in der Opposition. Sie bekam den Spitznamen „Zugvogel“ wegen vieler Parteiwechsel. 2002 trat sie der LDP bei und zählte zu den Anhängern des Reformers Junichiro Koizumi. Als dieser bei der Postreform am parteiinternen Widerstand zu scheitern drohte, zählte sie zu seinen „Attentätern“. So wurden interne GegenkandidatInnen genannt, die gezielt in Wahlkreise reformfeindlicher LDP-Granden geschickt wurden, um diese zu entmachten. Koike gewann. Am Freitag revanchierte sich Koizumi, in dem er erklärte, er unterstütze Koikes Kandidatur. Damit dürfte sie vielleicht wenigstens den 2. Platz und einen Achtungserfolg erzielen können.
Ihre Bilanz als Ministerin ist gemischt. 2005 lancierte sie als Umweltministerin eine Kampagne, in der sie Büroangestellte zu überzeugen versuchte, sich dünner anzuziehen, um etwas zum Energiesparen und Klimaschutz beizutragen. Denn dann könnten die Klimaanlagen in den Büros wärmer eingestellt werden. Als Japans erste Verteidigungsministerin blieb Koike 2007 dagegen glücklos. Sie trat nach nur 54 Tagen zurück, weil sie sich in einer Personalfrage nicht durchsetzen konnte.
Feministinnen sehen Koike weniger als ihresgleichen denn als Opportunistin. Übel genommen wird ihr auch, dass sie einmal einem US-Publikum sagte, man solle sie „Madame Sushi“ nennen. Was die Amerikaner witzig fanden, kam in Japan gar nicht gut an. SVEN HANSEN