: Gesprühte Träume
20 Jahre Graffiti in Hamburg: Soli-Veranstaltung in der Schilleroper präsentiert einen Abend lang Filme, „Veteranen“-Fotos und aktuelle „Kriegsbemalung“
Wer das Nahverkehrsnetz nutzt, wird zugebombt: Graffiti an Zug und Wänden, Werbung in allen Variationen, klassische Klänge als „Weichspüler“ gegen Junkies und Obdachlose am Hauptbahnhof. Doch nur für Graffiti hat der Senat eigens eine Beschwerde-Hotline eingerichtet.
Mit einer kleinen Ausstellung in der Schilleroper wird nun die seit über 20 Jahren nicht endende „Anschlagserie“ auf Wände und Nahverkehrszüge dokumentiert. „Wir wollen Graffiti und HipHop als etwas zeigen, das andere mit den eigenen Träumen konfrontiert“, so Veranstalter Mark „Boombastik“ Leyrer.
Graffiti, das ist ein ein Feldzug im Krieg der Zeichen, um die beste Platzierung in dem städtischen Dschungel aus Bildern, Medien und Codes. Als wäre Hamburg ein großer Fernseher und alle hängen davor. Wer schon länger in Gegenden mit besonders starker „Kriegsbemalung“, wie dem Schanzenviertel, Altona oder St. Pauli, lebt, wird sich vielleicht an so entzückende Wegbegleiter erinnern wie „Hodenbaden!“ (Stresemannstraße / Ecke Lerchenstraße), „Zu viele dicke Kinder“ (beim Museumshafen), „St. Pauli ist die einzige Möglichkeit!“ (Bleicherstraße; Schanze) oder – auch schön – „Es ist ein langer Weg, aber wir werden ihn gehen mit Schuhen von Goertz“ (Lattenkamp).
Den Politparolen der 70er folgten die bunten Buchstabenbomben aus Amerika als Teil der HipHop-Kultur. Wie wohl in der gesamten westlichen Hemisphäre wurde Charlie Ahearns Film Wild Style auch für die Hamburger Jungs und einige Mädels zur Initialzündung. Als die New Yorker Graffiti-Saga 1984 zum ersten Mal in Hamburger Kinos lief, schlichen sich der Legende nach schon während des Abspanns einige Youngster von dannen, die ersten Sprüher der Stadt, um sich als KING ZACK, CISCO oder DASE zu verewigen. Nächtliche Malerkolonnen verpassen seither der Hansestadt eine eigene Form nonkonformen Make-ups.
Die Fotos aus „Veteranenkreisen“ dürften unter anderem echte Pionierstücke aus der Frühphase zeigen und laden nicht nur Insider zu einem visuellen alternativen Stadtrundgang ein. Dazu gibt es die Hamburger Graffiti-Filme Manche mögens bunt und HamburgMetal.
Für stimmiges Ambiente sorgen MC Mad Max am Mikrofon, Mark Boombastik an der Beatbox und DJ E, Sir-O und Martin Moritz an den Turntables (Old Skool HipHop). Der Abend ist zudem eine Soli-Veranstaltung für den Verein HipHop e.V., der von der Wegsparpolitik des Senats betroffen ist. Der Treff kümmert sich seit 1989 um jugendliche Sprüher, die durch illegales Sprühen von horrenden Geldbußen bedroht sind.
Anna von Villiez
heute, 21 Uhr, Schilleroper