ausgehen und rumstehen
: Gefüllter Fisch mit Ouzo und die Russen

Vielleicht erinnert sich die ein oder andere an meine in der Vergangenheit beschriebenen Erlebnisse auf den sogenannten Dönerpartys im „Baghdad“ am Schlesischen Tor. Jene sind nun Geschichte, sollen sie doch – laut vollmundiger Ankündigung – durch Zazikifeste in einer Taverne ersetzt werden.

Was Indiana Jones sein Survivalpackage mit Kompass und Seil ist, ist dem Jungspund sein Newsletter. Ohne Codewörter und Geheimtermine überlebt man sonst nicht lange. Dementsprechend ungeduldig wurde immer wieder das E-Mail-Fach durchforstet, nach Erklärungen für die ausstehende Einladung gesucht und schließlich auch gefunden. Das schönste Mädchen der Klasse traut sich schließlich auch keiner zu seinem Geburtstag einzuladen und trotzdem wollen alle, dass sie kommt. Ganz einfach ist das!

Mein mit riesigen Glühbirnen bestückter Divenspiegel bestätigte mich bedauerlicherweise nicht in meiner Theorie. Aber zuerst stand sowieso der Auftritt des DJs von Kanye West – seineszeichens A-TRACK genannt – in der Aquabutze am Moritzplatz an. Manche erwarteten wohl, der Rapper und musikalische Großmeister würde höchstpersönlich erscheinen.

Aber spätestens nachdem er am Donnerstag auf dem Flughafen von LA einen Paparazzi zusammengeschlagen hatte und dabei gefilmt wurde, einigte man sich darauf, den Spatz in der Hand zu akzeptieren. Die Kassenschlange führte gefühlte sechsmal um den Club, aber wozu hat man einen Divenspiegel mit überdimensionalen Birnen, wenn man sich in den entscheidenden Situationen nicht durchzusetzen weiß? Also ein wichtiges Gesicht aufsetzen und einfach an allen vorbei. Wer sich von einem wichtigen Gesicht übertölpeln lässt, ist selbst schuld, wenn er länger anstehen muss.

Endlich im Inneren angelangt, geht es schnell wieder auf den Hof, wo wir unsere Hände an den brennenden Tonnen wärmen, da auf der Tanzfläche nicht mal mehr genug Platz ist, um die Asche von der Kippe zu schnippen. Nach zwei Alibibieren scheint der Abend ernüchternd zu enden, doch dann werde ich von einem Vollbärtigen verschwörerisch begutachtet, und noch bevor der in diesen Tagen zur Standardfloskel avancierte Auspruch „Nee, ich hab keine Pillen zu verkaufen!“ meine Lippen verlässt, habe ich einen Flyer mit einem Zyklopen und einer Adresse drauf.

Geschafft! Ein mit uns an der Tonne plazierter Russe behauptet, ein ideales Gericht als Grundlage für ausgiebige Ouzogelage zu kennen, und lädt uns für den darauffolgenden Tag zum Essen ein. Anderntags sitzen wir also zu neunt um einen Miniaturtisch in einem Lichtenberger Plattenbau und essen eine Art gefüllten Fisch. Das mit der Vorbereitung auf den Ouzo scheint niemand mehr so ernst zu nehmen, auch weil Wodka das einzig verfügbare Getränk ist. Unser Gastgeber verliert aufgrund unseres verhaltenen Appetits mit der Zeit die Contenance und zitiert Churchill: „Die Deutschen hat man entweder am Hals oder zu Füßen!“ Ein besonders Schlauer möchte diskutieren und stellt die These auf, dass die Russen aufgrund ihres kapitalistischen Aufschwungs vor nichts und niemand mehr Angst haben und deswegen auch die Achtung untereinander und im Privaten verlieren. Eine Minute später stehen wir ohne den Hausherrn in einem dieser Hochhaustreppenflure mit 20 kalkweißen Gängen, von denen jeder woanders hinführt – viele vermutlich ins Verderben. Die Griechenparty wurde dann sogar noch besucht, nur leider war sie erstens in einem gewöhnlichen Club, zweitens das ganze Gerede nicht wert, und drittens antwortete jede der in weißes Leinen gehüllten Barladys auf die zugegebenermaßen leicht als billige Kontaktaufnahme zu entlarvende Frage „ Soll das ’ne Toga sein?“ mit: „Was is denn ’ne Toga?“ Dit sind so’ne römischen Bettlaken. Damit wäre das dann auch geklärt. JURI STERNBURG