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Archiv-Artikel

Verstärkte Nachfrage nach Mehrwegflaschen

Am ersten Handelstag des neuen Jahres bleibt in Berliner Geschäften das befürchtete Chaos bei der Pfanderhebung und Dosenrücknahme aus: „Das war ja alles angekündigt.“ So manch pragmatischer Einzelhändler hat das Dosenbier einfach vorerst aus dem Sortiment verbannt

BERLIN taz ■ Er nennt sich Schorsch, ist seit vier Jahren auf Trebe und das Gegenteil von jemandem, den man „Freund des Winters“ nennt. Immerhin hat dieses Jahr für Schorsch gut begonnen: mit dem Dosenpfand. Zwei Tüten voller Büchsen nennt er sein Eigen. Den Inhalt taxiert Schorsch auf „mindestens ’nen Kasten Bier“. Endlich mal was Vernünftiges von der Regierung. Nach dem Silvester-Büchsenberg läuft Schorschs Dosengeschäft allerdings schleppend: „Du findest kaum noch Büchsen.“

Am Pergamon-Bistro im Bahnhof Berlin-Friedrichstraße liegt das nicht. Hier erfreuen sich die Bierdosen bester Nachfrage. Wie eh und je verlangt der Verkäufer „Einsfuffzig. Mit Pfand sind’s zwei Euro.“ Letzteres sollte ein Scherz sein: „Das dauert bestimmt noch einen Monat, bis wir Pfand erheben.“ Warum denn das? „Na, problematisch“, sagt der Verkäufer, „wir müssen das ja erst organisieren.“ Also massig Beute für Schorsch. Seinen „Schatz“ wird er hier aber nicht versilbern können.

Bei Karstadt am Hermannplatz braucht er das gar nicht erst zu versuchen. „Selbstverständlich nehmen wir die bei uns gekauften, unbeschädigten Verpackungen zurück“, steht auf einem Faltblatt zur Kundeninformation. Seit das angedrohte Pfand Realität ist, verbannte die Geschäftsführung Büchsenbier jedoch aus dem Sortiment. Nein, beschwert habe sich noch niemand, sagt ein Verkäufer der Getränkeabteilung. „Das war ja alles angekündigt.“

Einer der Ankündiger, der Staatssekretär im Bundesumweltministerium Rainer Baake, erklärte gestern in der ARD, leider habe es erhebliche rechtliche Auseinandersetzungen um die Einführung des Pfands gegeben. Baake: „Die Richter haben uns aber in allen Fällen Recht gegeben.“ Insofern sei die rot-grüne Regierung nun nicht an dem Chaos in den Läden Schuld. Fragt sich, welches Chaos. Davon kann bei Karstadt keine Rede sein. Anderswo auch nicht.

Die Einführung habe nahezu reibungslos funktioniert, bilanziert die Deutsche Umwelthilfe. „Die Rückmeldungen der Stichproben ergaben, dass die allermeisten Handelsketten perfekt organisiert sind“, erklärte Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Reschs Angaben zufolge erbrachten 98 Prozent der Stichproben eine Pfanderhebung. „Der einzige Ausreißer war die Plus-Warengruppe“, so Resch. Plus-Märkte hätten versucht, die Rücknahme zu sabotieren.

Der Hauptgeschäftsführer des Einzelhandelsverbandes, Harald Lemke, erklärte, weil viele Bürger noch mit Ware eingedeckt seien, sei der erste Handelstag des neuen Jahres „sehr, sehr ruhig“ verlaufen. Nicht einmal der Getränkefachgroßhandel klagt. „Das Dosenpfand belebt die Nachfrage nach Mehrwegflaschen“, erklärte gestern ein Sprecher des Bundesverbandes des Deutschen Getränkefachgroßhandels. Bereits in der letzten Dezemberwoche sei von Einzelhandelsketten verstärkt Mehrweg nachgefragt worden. Konkrete Zahlen lägen zwar noch nicht vor. „Der Fachgroßhandel ist aber auf eine höhere Mehrweg-Nachfrage vorbereitet“, so der Sprecher.

Unvorbereitet trifft es Schorsch. Im Penny-Markt auf der Berliner Kochstraße platzt sein Traum. Hier sind zwar neben der Kasse große Plastiksäcke mit der Aufschrift „Dosen“ angebracht. „Sie müssen den Bon mitbringen“, erklärt aber die Verkäuferin Schorsch. „Ohne Bon darf ich Ihre Dosen nicht zurücknehmen.“ Sieht schlecht aus für Schorsch. Er kann sich ja schlecht vor den Laden setzen und bitten: „Haste mal nen Bon?“ NICK REIMER