: „Wirtschaftsförderung ist Stadtplanung“
Siegmar Stintzing, seit vier Monaten Chef der Stadtentwicklung Vegesack (Stave), über seine Arbeit, über Haven Höövt und den „Science Park“
taz: Die Stave steht vor allem für das Projekt Haven Höövt. Dafür wurden die Pläne für das Wohnen am Wasser gekippt. Sind Sie damit glücklich?
Siegmar Stintzing: Das Einkaufszentrum stärkt die Funktion des Mittelzentrums Vegesack. Diese positive Wirkung wäre beim Wohnen am Wasser nicht eingetreten. Nur: Die Fußgängerzone muss ein Gegengewicht sein. Wenn sich dort nicht zügig etwas entwickelt, dann gibt es Probleme.
Schon bei Baubeginn des Haven Höövt wurde dafür Geld bewilligt. Zwei Jahre lang aber ist nichts passiert. Was nun?
Wir haben einen neuen Anlauf genommen. Die Stave hat den Auftrag, Vorschläge für die Aufwertung der Shopping-Meile und eine Freiraumplanung für den Sedanplatz erarbeiten zu lassen. Die Ergebnisse werden am 9. Januar präsentiert.
Vorschläge zur Gestaltung des Sedanplatzes gab es bisher viele. Sie sind alle nicht realisiert worden.
Das Symbolon etwa scheiterte, weil es im Beirat keine Akzeptanz gab für dieses doch sehr beachtliche Projekt. Ich will mal dahingestellt lassen, wie ich das gesehen hätte. Aber wir können daran nicht anknüpfen.
Muss dort denn ein herausragendes Gebäude entstehen?
Das wäre wünschenswert. Haven-Höövt-Investor Albrecht will dort eine Markthalle bauen. Die muss von innen und außen die Sinne ansprechen. Der Sedanplatz ist derzeit eine leere Fläche ohne Attraktivität, ohne städtebauliches Ambiente. Außer dem Wochenmarkt passiert dort nichts. Wenn man auf dem Platz steht, ist man eher gewillt wegzugehen als zu bleiben. Eine attraktive Markthalle kann die Situation völlig verändern.
Ist für eine Umgestaltung des Platzes denn Geld da?
Das Wirtschaftsressort misst dem eine hohe Priorität zu.
Der Ortsamtsleiter hat sich unlängst beschwert, er wisse gar nicht, wie viele der einst für die Aufwertung Vegesacks bereitgestellten 40,9 Millionen Euro noch übrig sind.
Unser Kassensturz hat ergeben: Bisher wurden 22,6 Millionen Euro ausgegeben, weitere 7,2 Millionen sind verplant. Also stehen noch 11,1 Millionen zur Verfügung. Davon wurden 6 Millionen Euro vorübergehend für andere Zwecke verwendet.
Womit kann Vegesack gegenüber Bremen punkten?
Etwa mit dem maritimen Flair. Die „martime Meile“ von der gläsernen Werft bis zum Segelschulschiff „Deutschland“ ist eine einmalig schöne Situation, um die uns viele Gemeinden beneiden. Dieses große touristische Potenzial gilt es zu vermarkten – in Ergänzung zu der so genannten „Shopping-Meile“, die parallel dazu auf der Anhöhe verläuft.
Sollen Bremer in Vegesack einkaufen?
Das Ziel wäre hoch gesteckt. Bremen ist sehr attraktiv. Ich kann mir aber vorstellen, dass der Eine oder Andere durchaus einmal auf die Idee kommt, am Samstag nach Vegesack zu fahren, um dort nicht nur im Haven Höövt, sondern auch im oberen Vegesack zu schlendern und auch einzukaufen. So attraktiv müsste es sein. Zunächst einmal geht es aber darum, die Kunden zu binden, die hier leben.
Bürger beklagen, dass jetzt auch das grüne Bremen-Nord immer mehr zugebaut werde.
Diese Äußerung ist in Zusammenhang mit dem „Science Park“ der International University Bremen (IUB) gemacht worden, der ja nun wirklich eine fast revolutionäre Entwicklung dort in Gang bringen soll. Das ist ein wichtiges Projekt für Vegesack mit großer Ausstrahlung. Man muss darauf achten, dass dabei nicht andere Dinge auf der Strecke bleiben.
Verstehen Sie sich eigentlich mehr als Wirtschaftsförderer oder als Stadtplaner?
Eine gute Wirtschaftsförderung ist auch eine gute Stadtplanung. Für mich ergänzen sich diese Aufgaben.
Gerade beim Standort für den „Science Park“ aber sind die Stadtplaner aus dem Bauamt durchaus anderer Ansicht als die Wirtschaftsförderer der BIG. Wo stehen Sie?
Diesen Konflikt gibt es in der Tat. Es ist Aufgabe der Politik, hier eine ausgewogene, vernünftige Lösung zu finden.
Nochmals: Was sagen Sie aus stadtplanerischer Sicht zu dem Vorschlag, den „Science Park“ entlang der Bahnlinie zwischen IUB und Vegesacker Bahnhof anzusiedeln, anstatt die Sportplätze vom Oeversberg dorthin zu verlegen?
Grundsätzlich ist beides möglich. Sportplätze würden das Sportzentrum ergänzen, das es bereits auf der anderen Seite der Gleise gibt. Alternativ kann man so einen Standort natürlich auch für Gewerbe nutzen. Die Frage wird gegenwärtig von Gutachtern geprüft.
Wie unabhängig können Sie als Stave eigentlich agieren?
Als Tochtergesellschaft der BIG, finanziert durch das Wirtschaftsressort, sind wir natürlich eingebunden. Wertschätzung erhält man aber nicht durch Konformität, sondern durch ausgereifte Kreativität.
Fragen: Armin Simon
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen