: Der Mann ohne Lächeln
Kaum jemand passt so wenig in die moderne, bunte Welt des Skisprungzirkus wie der blasse und wortkarge Finne Janne Ahonen, der zur Halbzeit der Vierschanzentournee an der Spitze liegt
aus Innsbruck KATHRIN ZEILMANN
Als er beim Training in Oberstdorf auf dem Vorbau landete, der Sprung also richtig mies war, zeigte Janne Ahonen seine Zähne. Es sollte wohl ein Grinsen sein. Verkehrte Welt. Wenn er schlecht springt, stimmt ihn das augenscheinlich fröhlich.
Der vor dem heutigen dritten Springen der Vierschanzentournee in Innsbruck in der Gesamtwertung Führende ist anders als die meisten Springer im Weltcup. Er ist schwer zu begreifen, schwer zu verstehen. Manche halten ihn für melancholisch und für nachdenklich. Andere sagen, er hat die Ironie für sich gepachtet. Ob so jemand wie Janne Ahonen in der medialen Skisprung-Welt von RTL und Bravo eine Chance hat? Wohl kaum. Janne Ahonen (25) zählt seit vielen Jahren zu den Besten seines Faches. Und doch weiß man von ihm eigentlich nur so viel: Er ist schweigsam, lächelt fast nie und über seine Siege scheint er sich so zu freuen, als würde man zu Weihnachten eine Katze geschenkt bekommen und Tierhaarallergie haben.
„Der Janne Ahonen“, so ein gängiger Scherz im deutschen Skisprung-Team, „geht zum Lachen in den Keller.“ Auf Fragen in Pressekonferenzen antwortet er spärlich, zuweilen gar nicht. Sein Standardsatz nach erfolgreichen Wettbewerben lautet: „I’m very satisfied with these jumps.“ Das muss reichen, mehr sagt er nicht. Selbst ein immer fröhlicher und auf gute Laune bedachter Fernsehmoderator wie Günther Jauch kann dem Finnen kein Lächeln und keine humorvolle Antwort entlocken. Die bunte Show-Welt des Skispringens ist die seine nicht, „ich bin hier, um zu springen, und nicht, um zu grinsen“, hat Ahonen einmal gesagt. Die Maske beim Sprung war sein Markenzeichen, doch in dieser Saison springt er ohne Gesichtsschutz, da er den Helmausrüster gewechselt hat. Böse Zungen behaupten, die Maske sei weg, damit sein kleiner Sohn keine Angst vor ihm bekommen kann, wenn er ihn im Fernsehen sieht.
Wenn sich ein Gespräch mit seiner kleinen Familie – Freundin Tiina Jakobsson und dem 14 Monate alten Sohn Mico – befasst, wird er etwas lockerer. Das heißt, er sagt keine genuschelten Wortfetzen mehr, sondern erklärt: „Mein Sohn ist mein Lebensmittelpunkt. Durch die Familie bin ich zu einem erwachsenen Menschen geworden.“
Schon mit 15 gehörte Ahonen dem finnischen Team an, gewann in der Saison 1993/94 seinen ersten Weltcup. Mit der Mannschaft wurde er 1995 Weltmeister, zwei Jahre später holte er im Einzelwettbewerb WM-Gold. Die schmerzhafteste Niederlage erlitt Ahonen wohl bei der nordischen Ski-WM 2001 in seiner Heimatstadt Lahti. Dort, vor seinem Publikum und auf seinen Trainingsschanzen, wollte er Gold, seine ganze Saisonvorbereitung hatte er auf die WM ausgerichtet, dort wollte er triumphieren. Doch er musste sich mit einer Bronze- und zwei Silbermedaillen begnügen. Seinem Ehrgeiz hat es nicht geschadet, Ahonen plant, seine Karriere mindestens bis zu den Olympischen Winterspielen 2006 in Turin fortzusetzen.
Als Hobbys in seiner Freizeit gibt der gelernte Mechaniker Malen und Motorradfahren an. „In Finnland kennen mich viele Leute. Trotzdem werde ich in meinem Privatleben in Ruhe gelassen. Ich kann unbehelligt in ein Pub gehen und mein Bier trinken“, sagt Ahonen. 1998/99 hat er schon einmal die Vierschanzentournee gewonnen, übrigens ohne Einzelsieg. Große Sympathien in Deutschland hat ihm das nicht eingebracht, hieß doch damals der Favorit Martin Schmitt. Aber der strauchelte und ausgerechnet jener schweigsame, blasse Finne war am Ende ganz vorne.
In dieser Saison ist Janne Ahonen wieder einer der Favoriten auf den Gesamtsieg. Er könnte Deutschlands zweiten Skisprung-Darling Sven Hannawald, der mit rund 15 Punkten Rückstand Rang vier der Gesamtwertung belegt, schlagen. Ahonen wird, so ist zu vermuten, in diesem Falle nicht jubeln. Wieso auch? Ein Janne Ahonen genießt still. Und er kann sich sicher sein: RTL und Bravo werden ihn in Ruhe lassen.