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Archiv-Artikel

Die Sonne ist leicht getrübt

Der Finne Janne Ahonen holt sich mit Platz vier beim vom Norweger Romoeren gewonnenen Abschlussspringen den Sieg bei der 51. Vierschanzentournee, Sven Hannawald wird Zweiter

aus BischofshofenKATHRIN ZEILMANN

Nicole Hoffmeyer ist eine 31 Jahre alte Frau mit blonden Haaren, sie ist Physiotherapeutin und kommt aus dem Schwarzwald. Nichts Besonderes an sich. Doch Außergewöhnliches hat sie vergangene Woche geleistet. Sie hat die Wade von Sven Hannawald gepflegt, sie hat sie geknetet und massiert, um den Bluterguss zu beseitigen, den er sich bei seinem Sturz beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen zugezogen hat. Sie hat den Hanni wieder fit gemacht, freut sich die Nation. Und Nicole, so durften wir während der Vierschanzentournee erfahren, ist die einzige Frau, die Hanni an sich ranlässt, sie ist die einzige Frau, die seine Wade und – man höre und staune – den Allerwertesten berühren darf. In der Bild-Zeitung frohlockte Nicole: „Es schmeichelt mir, dass ich so nah an ihm dran sein darf. Ich habe seine Schenkel und seinen Po täglich in der Hand. Da kenn ich mich aus wie in meinem eigenen Wohnzimmer.“

War das alles Bemerkenswerte bei jener 51. Vierschanzentournee, die der Finne Janne Ahonen gewann, dem gestern ein vierter Platz in Bischofshofen zum souveränen Gesamtsieg reichte, und die Hannawald, der Vorjahressieger, als Zweiter abschloss? Nein, zum Glück nicht. Sven Hannawald, dem im Vorwinter die Siege bei der Tournee nur so zuzufliegen schienen, der mit scheinbarer Leichtigkeit die Konkurrenz abhängen konnte, hatte gekämpft. Er hatte eine Knieoperation im Sommer hinter sich und musste gewaltigen Trainingsrückstand aufholen. Trotzdem hat er in Oberstdorf gewonnen, trotzdem ist er in Bischofshofen hinter dem Tagessieger Björn Einar Romoeren aus Norwegen und gleichauf mit Österreichs Andreas Kofler noch einmal auf Rang zwei gesprungen.

Die Erwartungen des Skiverbandes haben sich dennoch nicht ganz erfüllt, von Martin Schmitt, am Ende in der Gesamtwertung 20., wurde mehr erhofft, die junge Garde um den indisponierten Stefan Hocke sprang zu wechselhaft. Schmitt, im Sommer ebenfalls am Knie operiert, soll nach der Tournee im Weltcup erst einmal pausieren, um dann pünktlich zur WM im Februar wieder die alte Stärke zu erlangen.

Weitere Erkenntnis: Reinhard Heß hat’s nicht leicht. Der Bundestrainer hatte ein Buch geschrieben, darin vom Spagat zwischen Sport und Kommerz berichtet. Und als RTL zu einer Pressekonferenz bat und die Absicht mitteilte, aus dem Innsbrucker Springen eine Flutlichtveranstaltung zu machen, war diese Spannung wieder gegenwärtig. Denn wäre solch ein Springen der Tournee abends, dann könnten mehr Leute vor dem TV zuschauen. Zudem will der Rechteinhaber das Abschluss-Springen der Tournee nicht mehr am 6. Januar austragen, da sei nämlich nur in Österreich und einigen deutschen Bundesländern Feiertag. Der Rest der Republik müsse arbeiten – schlecht für die Quote. RTL diktiert, der Österreichische Skiverband (ÖSV) nickt und der Internationale Skiverband darf nun überlegen.

Außerdem passt es den Herren von RTL und ÖSV nicht, dass Sven Hannawald auf die Teilnahme an den Qualifikationen verzichtet hat. Wenn Hanni nicht springt, „sieht das nicht schön aus“ und das Publikum werde „verarscht“. Deshalb solle das Reglement geändert werden, die 15 Besten des Weltcups sollen künftig auch an der Qualifikation teilnehmen müssen. Pikante Randnotiz: Gestern sprang Hannawald die Qualifikation, RTL aber war in den Nachrichten gerade bei einem anderen Flieger.

Reinhard Heß, der kantige Thüringer, hatte während dieser Tournee auch Probleme mit seinem Ko-Trainer Wolfgang Steiert. Der ehrgeizige Schwarzwälder will nicht länger Assistent sein, sondern Chef werden. Ausgerechnet während der Tournee machte er sein Begehr deutlich, wurde aber von den Skiverbands-Verantwortlichen zurückgepfiffen. Der eitel Sonnenschein, der noch im vergangenem Jahr geherrscht hat, scheint sich in diesem Winter verdunkelt zu haben. Steiert beansprucht als Heimtrainer der Vorflieger Schmitt und Hannawald ein großes Stück vom Kuchen des Erfolgs.

Was Heß auch nicht gefallen haben könnte: der von Bild ausgerufene „Liebes-Krieg“ um Hannawald. Heß, so war zu lesen, sei ein „Frauen-Freund“ und wolle für seinen Überflieger eine Partnerin. Das wiederum will dessen Manager nicht, denn der weiß: „Hanni ist auch als Single glücklich.“

Die Tournee ist vorbei. Endlich. Nicole Hoffmeyer arbeitet wieder im Krankenhaus. Wolfgang Steiert darf sich der Trainingsarbeit widmen, Sven Hannawald sein Privatleben in Ruhe mit Bild besprechen und – ach ja – im Weltcup springen. Und Reinhard Heß? Kann gut sein, dass der ein paar Sorgenfalten mehr mit nach Hause bringt.