: Nach den Buchstaben des Gesetzes
Verwaltungsgericht weist Klage der Stresemannstraßen-Initiative auf Bürgerentscheid ab. Begründung: Es komme nur darauf an, was die Bezirksversammlung beschließt, nicht, was sie damit bezweckt. Mehr Demokratie sieht Sinn auf den Kopf gestellt
von GERNOT KNÖDLER
Die Vertrauensleute des Bürgerbegehrens gegen die Öffnung der Stresemannstraße sind gestern vor dem Verwaltungsgericht mit dem Versuch gescheitert, einen Bürgerentscheid zu erzwingen. Zu diesem war es trotz einer ausreichenden Zahl von Unterschriften nicht gekommen, weil ihm die konservative Mehrheit der Bezirksversammlung Altona formell zustimmte. Wie die CDU damals ausdrücklich erklärte, sollte damit der Bürgerentscheid verhindert werden. Das Gericht urteilte, die Absichten der Parteien seien unerheblich. Kläger-Anwalt Michael Günther kündigte an, er werde eine Berufung beantragen.
Das Bürgerbegehren für die Erhaltung von Tempo 30 auf der Stresemannstraße und die Wiedereinführung der Busspur war im Februar 2002 vom Bezirks-amt Altona für zu Stande gekommen und zulässig erklärt worden. Daraufhin hatte die Bezirksversammlung die Wahl, das Anliegen abzulehnen, „in einer Form, die von den Vertrauensleuten gebilligt“ wurde, zu übernehmen oder „unverändert“ zu übernehmen. Die Mehrheit der Bezirksversammlung aus CDU, Schill und FDP entschied sich für die dritte Variante. Das Bezirks-amt war somit gebeten, sich beim Senat für das Anliegen der Initiative einzusetzen.
Der Zweck dieses Beschlusses war freilich ein ganz anderer: CDU, FDP und Schill wollten nur den Bürgerentscheid vom Tisch bringen. Bei dem Bürgerbegehren handele es sich um eine Farce, teilte die CDU der Presse mit. Über die Stresemannstraße könne und dürfe aufgrund ihrer überregionalen Bedeutung nur der Senat entscheiden. „Es wäre ein Schildbürgerstreich, wenn man jetzt noch 165.000 Euro ausgibt, Bürger für Wahlbüros verpflichtet und alle Altonaer an einem Sonntag an die Wahlurnen bittet, obwohl es nichts zu entscheiden gibt“, formulierte ihr Pressesprecher Robert Heinemann. „Wir werden dem Bürgerbegehren beitreten, damit es nicht zu diesem Bürgerentscheid kommt“, verkündete der Abgeordnete Uwe Sczesny.
Die Vertrauensleute Sigrid Lemke, Christl Röhl und der ehemalige GAL-Verkehrsexperte Martin Schmidt warfen den konservativen Fraktionen daraufhin vor, sie hätten die mehr als 5000 verifizierten Unterzeichner des Bürgerbegehrens ausgetrickst. Die Fraktionen hätten das Bürgerbegehren fälschlicherweise wie eine Sammelpetition behandelt, bei der es nicht auf eine politische Wirkung ankomme. Die Kosten seien hinzunehmen, weil es der Bürgerschaft mit dem Gesetz über die Bürgerbegehren auf eine Stärkung der Minderheitenrechte angekommen sei. Im übrigen hätten die Unterstützer des Bürgerbegehrens ein Recht darauf, dass die Verwaltung fair mit ihnen umgehe.
Björn Farries berief sich als Vertreter des Bezirksamts vor Gericht darauf, dass der Beschluss „im Wortlaut“ übernommen worden sei. Eine Billigung durch die Vertrauensleute sei daher nicht nötig gewesen.
Die Kammer unter Vorsitz von Richter Bernd-Dieter Tomczak argumentierte, dass auch Bundestagsabgeordnete des Öfteren gegen ihre Überzeugung abstimmten, ohne dass die Beschlüsse des Parlaments deswegen angefochten würden. Eine formelle Zustimmung reiche aus. Gründe, die Berufung direkt zuzulassen, sah das Gericht nicht. So sei eine „grundsätzliche Bedeutung“ des Verfahrens nicht zu erkennen.
Karsten Vollrath vom Landesverband „Mehr Demokratie“ bezeichnete die Entscheidung als gravierendes Fehlurteil: „Der Sinn und Zweck dieses Gesetzes wird damit auf den Kopf gestellt.“ Bürgerbegehren würden gegenüber den Bezirksversammlungen zu demokratischen Institutionen zweiter Klasse degradiert. „Wenn diejenigen, die das Gesetz damals mitentworfen haben, geahnt hätten, wie schlau man das Gesetz umgehen kann, hätten wir in das Bezirksverwaltungsgesetz ein Verbot von betrügerischen Beschlüssen hineingeschrieben“, kommentierte Martin Schmidt.