: Flick flink durchgewinkt
Land Berlin und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz zeigen keine Skrupel, die umstrittene Flick Collection heute zu übernehmen. Grüne kritisieren die Einigung als „instinktlos und skandalös“
von ROLF LAUTENSCHLÄGER
Was den Zürichern nicht geheuer war, schluckt Berlin jetzt locker und mit Gräten. Sozusagen über Nacht und ohne eine öffentliche Debatte haben das Land und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) die umstrittene Kunstsammlung von Friedrich Christian Flick nach Berlin geholt. Heute wollen der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), SPK-Präsident Klaus-Dieter Lehmann sowie Kulturstaatsministerin Christina Weiss die Sammlung zeitgenössischer Kunst, die ab 2004 zu sehen sein soll, vorstellen. Das dürfte nicht ohne Zwischenruf vonstatten gehen, haben doch Landeschef Wowereit oder die Stiftung bislang – und auch gestern – jeden Kommentar zur „Flick Collection“ vermissen lassen. Weder gibt es Aussagen über die Qualität der Kunstwerke noch Stellungnahmen zum zukünftigen Umgang mit der Flick-Sammlung sowie den Verstrickungen des Konzerns in der Nazizeit. Der Konzern war nicht der Zwangsarbeiter-Stiftung beigetreten.
Während in der Schweiz das Angebot Flicks, dem Kanton Zürich die privaten Exponate samt neuem Museumsbau zu übereignen, 2001 abgelehnt wurde, hat Berlin bereits Nägel mit Köpfen gemacht. Die 2.500 Kunstwerke von 150 Künstlern der Moderne sollen unweit des Hamburger Bahnhofs, des Museums für Gegenwart, ab 2004 für sieben Jahre ausgestellt werden.
Vorvergangenes Jahr hatte die Züricher Kunstszene sich gegen die Sammlung des Flick-Enkels gewehrt. Das Direktorium des Schauspielhauses um Christoph Marthaler äußerte sich damals unmissverständlich: „Wir wünschen uns andere Nachbarn als ein Museum, dessen Exponate aus dem Flick-Vermögen zusammengekauft wurden.“ Der Gedanke, dass Bilder mit „Kriegsverbrechergeld und enteignetem jüdischen Vermögen“ finanziert worden seien, dürfte „nicht verdrängt“ werden.
Ebenfalls als Akt der Verdrängung kritisierten gestern die Bündnisgrünen die Übernahme der Flick-Sammlung. Als „historisch instinktlos“ bezeichnete deren kulturpolitische Sprecherin Alice Ströver die geräuschlose Einigung zwischen Berlin, der SPK und Flick. Mit der Leihgabe des Milliardärs beteilige sich Berlin nicht nur an der „Rehabilitierung“ der Familie Flick, erklärte Ströver. Auch die Art und Weise, wie verhandelt wurde, sei „skandalös“.
Ströver: „Ohne Diskussion innerhalb der politischen und fachlichen Gremien wurden in einem Akt der Geheimniskrämerei vollendete Tatsachen geschaffen.“ Zugleich warf sie Kultursenator Thomas Flierl (PDS) vor, sich „feige“ einer „gesellschaftlichen Debatte“ entzogen zu haben. Auch die frühere Kultursenatorin Adrienne Goehler forderte den in der Schweiz lebenden Kunstmäzen zu einer öffentlichen Diskussion mit in der Sammlung vertretenen Künstlern auf.
Flierls Sprecher Torsten Wöhlert wies die Angriffe Strövers zurück und wertete – ebenso wie die kulturpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Brigitte Lange – die Ausstellung „als Chance“, sich mit den Kunstwerken und der Flick-Geschichte zu befassen. Die Debatte müsse „jetzt stattfinden“, sagte Lange. Schon zu diesem Zwecke sei es gut, dass das Land die „wertvollen“ Exponate aus der Sammlung für sieben Jahre ausstellen könne.