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Archiv-Artikel

Staudammgegner fordern Lula

Bisher gaben in der Energiepolitik Amazoniens Aluminium-Multis und Stromlobby den Ton an. Nun hoffen die Anwohner und Umweltschützer auf mehr Einfluss

IMPERATRIZ taz ■ „Die Natur, die Mutter Erde, die Tiere und der Fluss sind unser Leben“, sagt der alte Häuptling. Der Staudamm sei dagegen eine Kriegserklärung. Der 90-jährige Julio Apinajé meint das Wasserkraftwerk Serra Quebrada, das die Aluminium-Multis Alcoa und Billiton im Amazonas-Nebenfluss Tocantins planen: Ein Zehntel des Apinajé-Territoriums im Norden des Bundesstaats Tocantins würde geflutet – der fruchtbarste Teil des Landes, auf dem rund 1.000 Indianer leben. Auch tausende Fischer und Kleinbauern müssten ein neues Zuhause suchen.

Eine Tagesreise flussabwärts liegt der Megastaudamm Tucuruí. Hier wurde im Dezember die erste Turbine des Erweiterungsprojekts Tucuruí 2 eingeweiht. Bis 2005 verdoppelt sich die Leistung des Wasserkraftwerks auf 8.370 Megawatt – und Tucuruí wird weltweit die Nummer drei. In den 80er-Jahren mussten 30.000 Menschen dem 2.850 Quadratkilometer großen Stausee weichen.

Turucuí steht für das Entwicklungsmodell, das seit 30 Jahren im Osten Amazoniens vorherrscht. Der Damm sollte nicht vorrangig Strom für die Bevölkerung liefern, sondern für die Bergbauprojekte der Aluminiumfabriken Albras in Belém und Alumar in São Luís. Auf ihr Konto gehen drei Prozent des brasilianischen Stromverbrauchs.

Zu den Baukosten von knapp 9 Milliarden Dollar für Tucuruí 1 kommen rund 2 Milliarden Dollar Subventionen für die Alumultis. 2004 allerdings laufen die Vorzugsklauseln aus – weshalb der Geschäftsführer des Albras-Mehrheitseigners Companhia Vale do Rio Doce (CVRD) laut über die Verlagerung der Produktion nach Afrika nachdachte.

Geht es nach der Elektrolobby, soll das Wasser Amazoniens auch künftig hemmungslos zur Stromproduktion genutzt werden. Als Teil einer „Deutsch-Brasilianischen Infrastruktur-Initiative“ wurden Ende November in Frankfurt acht Staudammprojekte für die Amazonas-Nebenflüsse Araguaia, Tocantins und Xingu vorgestellt. Allein in diesen sollen 55 Staudämme entstehen – darunter etliche, für die sich CVRD, Alcoa und Billiton interessieren. Zu den umworbenen deutschen Firmen gehört der Turbinenbauer Voith Siemens.

In Frankfurt dabei war Dilma Rousseff, die mittlerweile Bergbau- und Energieministerin ist. Sie gab sich zurückhaltend: Die Grundlagen für die Energiepolitik würden erst erarbeitet. An der führenden Rolle der Wasserkraft wolle man aber festhalten. Für die Subventionierung erneuerbarer Energien fehle das Geld.

Im Wahlprogramm hatte die jetzige Regierungspartei PT einen Politikwechsel für Amazonien angekündigt: Wirtschafts- und Umweltmaßnahmen sollen zu einem nachhaltigen Modell gebündelt werden. Aktivisten aus 60 Organisationen der regionalen Antistaudammkampagne fordern, dass sie ihren guten Willen mit einem Moratorium für die Staudammprojekte beweist.

GERHARD DILGER