: Letzte Instanz Ministererlaubnis
Erst 17-mal wurde die Sonderregelung beantragt, ein einziges Mal im Medienbereich
BERLIN taz ■ „Eon hofft auf Müller“, titelte die taz vor einem Jahr. Damals hatte das Bundeskartellamt gerade das Ansinnen des Energiekonzerns abgewiesen, sich den Gasriesen Ruhrgas einzuverleiben. Weil aber auch im Kartellrecht die letzte Instanz nicht die letzte Instanz sein muss, macht seitdem ein Zauberwort die Runde: Ministererlaubnis. Der Gesetzgeber hat nämlich dem Wirtschaftsminister das Recht eingeräumt, sich über einen Kartellamtsbeschluss hinwegsetzen, wenn er andere Interessen der Allgemeinheit für wichtiger hält als Wettbewerbsbedenken. Ein Jahr später muss man nur die Namen der Akteure austauschen: Holzbrink hofft nun auf Clement.
30.000 Kartellfälle
Seit 1973 prüft das Kartellamt Fusionsvorhaben, ist die Ministererlaubnis möglich. Insgesamt 17-mal wurde diese seitdem erst beantragt, bei rund 30.000 Kartellfällen, von denen gerade einmal 140 abgewiesen wurden. Prüfgrundlage ist wesentlich das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB).
Fünfmal lehnten die Minister eine Sonderelaubnis ab, in sechs Fällen überstimmten sie die Kartellwächter – zuletzt erlaubte 1989 FDP-Wirtschaftsminister Helmut Hausmann die Übernahme des Luftfahrt- und Rüstungskonzerns MBB durch Daimler-Benz – dies allerdings auch nur unter hohen Auflagen. Die damals oppositionelle SPD reagierte auf Hausmanns Erlaubnis mit Empörung und versuchte sogar gerichtlich dagegen vorzugehen. Ohne Erfolg.
Im Medienbereich ist die Ministererlaubnis fast noch ein Novum, gilt sie doch als besonders heikel, weil es nicht nur um Markt-, sondern auch um Meinungsmonopole geht.
Zuletzt hatte der US-Medienkonzern Liberty Media mit einem Antrag auf Ministererlaubnis geliebäugelt. Eigentlich wollte Liberty die Mehrheit der Kabelnetze der Deutschen Telekom kaufen – knapp die Hälfte des Kabelfernsehmarktes. Die Kartellbehörde untersagte den 5,5-Milliarden-Euro-Deal. Wegen fehlender Aussicht auf Erfolg beantragte Liberty auch keine Erlaubnis beim Minister, und die Telekom sucht weiterhin einen neuen Käufer.
Als das Kartellamt im Oktober 1998 die gemeinsame Herrschaft von Kirch-Gruppe und Bertelsmann-Konzern über das deutsche Pay-TV untersagte, wurde ebenfalls kein Minister bemüht. Bertelsmann stieg in der Folge ganz aus dem Bezahlfernsehen aus, und Kirch wagte den Alleingang – in die Pleite, wie man heute weiß.
Antrag zurückgezogen
Bislang haben nur die Verlagsriesen Springer und Burda tatsächlich eine Sondererlaubnis beantragt – vor über 20 Jahren: 1981 ging es um die Mehrheitsverhältnisse im Springer-Konzern. Entschieden wurde auch damals nichts, der Antrag vielmehr zurückgezogen, weil das Bundeskartellamt seinerseits die ursprüngliche „Untersagung wegen veränderter Marktverhältnisse“ aufgehoben hatte. Heute ist der Verbund Springer-Burda längst Pressegeschichte.
Nach dem Antrag beim Bundeswirtschaftsministerium wird jetzt zunächst die Monopolkommission, ein Wissenschaftsgremium, Stellung nehmen. Dann werden betroffene Verbände und Gewerkschaften gehört. Das Bundeswirtschaftsministerium hat insgesamt vier Monate Zeit, zu einer Entscheidung kommen.
Vielleicht vermeldet ja bis dahin die Berliner Zeitung wieder, „dass die Sache platzt“. So nämlich zitierte das Blatt morgen vor einem Jahr Bernd Pfaffenbach, den Chefökonomen des Bundeskanzleramtes. Aber damals ging es ja um die Ruhrgas-Übernahme durch Eon. NICK REIMER