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Archiv-Artikel

HOLTZBRINCK DARF KEINE ERLAUBNIS FÜR ZEITUNGSKAUF BEKOMMEN Keine Meute für den Verleger

Medien sind bellende Wachhunde der Demokratie. Ein hübsches Bild, das Ephraim Kishon einst kreierte. Allein, es stimmt nicht. Wachhunde werden für eine Demokratie erst zum Gewinn, wenn sie auf Geheiß vieler Herrchen bellen. Einheitsbellen ist Gift für die Demokratie. Was mit der Berliner Zeitung zu beweisen war: Das, was das ZK der SED einst zur realen Politik erklärte (lang anhaltender Beifall), war Diktum für das SED-Bezirksorgan.

Die Berliner Zeitung ist das namhafteste deutsches Medium, das auf die Eigenerfahrung „Einheitsbellen“ zurückgreifen kann. Und jetzt das: Der Holtzbrinck-Verlag hat gestern beim Bundeswirtschaftsministerium eine Ministererlaubnis beantragt, durch die er sich die Zeitung einverleiben möchte. Die Erlaubnis war notwendig geworden, weil das Bundeskartellamt den Kauf untersagt hatte. Begründung: Der Kauf bringe Holtzbrinck mit über 60 Prozent eine beherrschende Stellung auf dem Berliner Abo- und Programmmarkt.

Jetzt soll’s also Bundeswirtschaftsminister Wolgang Clement richten. Nach dem Gesetzestext gibt es zwei Tatbestände, die eine Ministererlaubnis rechtfertigen. Erstens: Die Kartellamtsentscheidung kann dann kassiert werden, wenn es gesamtwirtschaftliche Gründe hierfür gibt. Der zweite Tatbestand: das Interesse des Gemeinwohls. Die Kartellbehörde berücksichtig dies nämlich bei ihrer Entscheidung nicht.

Zweifelsfrei durchlebt die Medienwirtschaft landauf, landab eine schwere Krise, die auch den Bestand der ständig defizitären Qualitätsblätter Tagesspiegel und Berliner Zeitung gefährdet. Zweifelsfrei wäre mit dem Kauf der Berliner Zeitung nicht automatisch ihre Gleichschaltung verbunden. Zweifelsfrei ist aber auch, dass der Kauf nur Sinn macht, wenn Synergien zwischen beiden Häusern hergestellt würden. So wie etwa bei Springers Welt und Morgenpost. Deren Zusammenlegen hat der Tagesspiegel genauso kleinteilig analysiert wie die Berliner Zeitung. Ergebnis der Letzteren: Es ist zwar billiger, einen Redakteur recherchieren zu lassen als zwei, doch eine Sicht geht dabei verloren.

Für Clements Entscheidung zur Ministererlaubnis sind die gesamtwirtschaftlichen Gründe irrelevant: Wie sein Urteil auch ausfällt – dem Wirtschaftsstandort Deutschland wird sie weder schaden noch nützen. Verbleibt das Interesse des Gemeinwohls: Selbst wenn das Veto den Bestand der Berliner Zeitung gefährden sollte – Clement darf die Ministererlaubnis nicht erteilen. Schließlich ist es besser, einen bellenden Hund weniger zu haben als eine Hundemeute, die sich auf Geheiß ihres Verlegers auf den Hasen stürzt. NICK REIMER