: Was ein Buch anrichten kann
betr.: „Das Buch aus Sand“ von Stephan Wackwitz (Adorno und das grünäugige Mädchen), taz vom 11./12. 1. 03
Es ist schon traurig, was ein Buch bei einem Menschen alles anrichten kann.
Da begegnet der 18-jährige Wackwitz im Frühjahr 1970 (er war Schüler des „Uracher Evangelischen Seminars“) einem „bestrickend grünäugigen Mädchen“ mit blonden Haaren. Sie spricht mit ihm nicht nur über die kritische Theorie, sie macht ihm nebenbei auch erotische Avancen. Der eingeschüchterte junge Wackwitz reagiert nicht auf die Angebote der grünäugigen Circe und kann sich auch später nicht zu einem telefonischen Kontakt aufraffen. Und wer ist schuld? Die protestantische Erziehung und Adorno. „Was von heute, hätte ich damals der Grünäugigen am Telefon mitteilen sollen?“, fragt Wackwitz.
Stattdessen sucht er Trost in der „Dialektik der Aufklärung“ und findet darin die Bestätigung seiner „protestantischen Verklemmung“ und einer pietistisch gefärbten Weltverachtung. Seitdem mag Stephan Wackwitz die „Dialektik der Aufklärung“ nicht mehr! Er liest sie nur noch, wie er sagt, zur „Verifikation von Zitaten“. Noch weniger aber mag er die Adorno-Schüler, die 68er. Die haben ihm in den Siebzigerjahren mit ihrer Kritik an der „Kulturindustrie“ die schlichten Freuden des Hollywood-Films und der Popkultur madig gemacht.
Da tröstet auch wenig, dass die neomarxistische Brut in den hedonistischen Achtzigerjahren „zur Hölle gefahren“ ist. Denn es bleibt die Erinnerung an das grünäugige Mädchen und die insistierende Frage: „Was hätte ich damals dem grünäugigen Mädchen am Telefon sagen können?“ PETER FLICK, Köln