„eve“, kopien etc.
: Warum man den Raelianern dankbar sein kann

Klönen über Klonen

Wie immer man zum reproduktiven Klonen von Menschen steht – bei Frau Dr. Boisselier würde man nicht einmal besonders schlaue Haustiere klonen lassen, um einem drohenden Verlust oder Kindertränen vorzubeugen. Wieso dann die Aufregung?

Eine Gesellschaft, die nicht nur über Klonen klönt, sondern tatsächlich doppelte Lottchen generationenversetzt agieren lassen könnte, hätte vermutlich mehr und nicht weniger Probleme. Dennoch folgt aus dem Wunsch nach Verboten noch nicht deren Begründung. Der deutsche Gesetzgeber hat zwar schon 1990 mit einem strafbewehrten Verbot die heutigen Kontroversen antizipiert, aber was wird eigentlich geschützt?

Das Lebensrecht oder gar die Menschenwürde des Klons versagt als Argument. Es spielt zwar bei der Abtreibungs- und bei der Debatte um den Schutz von Embryonen in vitro eine gewichtige Rolle, hier aber soll der Klon am Leben gehindert werden (falls der Zufall einen Klon produzieren sollte). Ein Klonverbot „schützt“ den Klon nicht, sondern gebietet es, verboten geklonte Embryonen absterben zu lassen. In der Sprache der so genannten Lebensschützer ist dies ein „Tötungsgebot“. Beim Klonverbot geht es also nicht um Lebensschutz, sondern um ein gesellschaftliches Tabu. Unser kulturelles Verständnis von Fortpflanzung scheint an den Zufall gebunden zu sein. Dies färbt ab auf das Grundrechtsverständnis. Das Recht auf staatlich unkontrollierte Fortpflanzung umfasst nicht ein Recht auf die durch Klonen hergestellte eigene Kopie. Somit reden wir nicht über Persönlichkeitsrechte und schon gar nicht über die Menschenwürde, auch nicht die des Klons. Die eingeübten Metaphern passen nicht. Wer Klonen verbieten will, gebietet, dass der Zufall die Fortpflanzung bestimmt. Deshalb wird jede Form der gezielten Züchtung untersagt – unabhängig von etwaigen dadurch betroffenen Rechten.

Andere Regeln haben sich hingegen beim umstrittenen Gegenstück, der negativen Selektion, durchgesetzt. Alle Rechtsordnungen akzeptieren nach Jahren der erregten Debatte eine Lockerung der Moral. Zwar ist auch das gezielte Verwerfen von Embryonen in vitro, die man für „genetisch krank“ erklärt, der Sache nach Selektion. Aber letztlich ist es nichts anderes als eine zeitliche Vorverlagerung einer nach geltendem Recht erlaubten, weil medizinisch indizierten Abtreibung. Verletzt wird allenfalls die religiöse Überzeugung derer, die absolute Verbote und strikte Gebote fordern, etwa die Ehrfurcht vor der Heiligkeit des menschlichen Lebens.

Sinn des Klonens hingegen ist die gezielte Züchtung. Dies ist der Regelverstoß, der empört. Worin aber könnte die Rationalität des verletzten Tabus bestehen? Jürgen Habermas schlägt vor, eine Art Generationenvertrag anzunehmen, für den es wesentlich sei, die Kontingenz der Fortpflanzung hinzunehmen, da nur dann ein kommunikatives Verhältnis zwischen Eltern und ihren Kindern entstehen kann. Nur kommunikative Mittel, nicht aber genetische Manipulation sind nach dieser Sicht von Gesellschaft erlaubt. Die Eltern von „Eve“, dem angeblichen Klonkind, wollen eine solche Gesellschaft nicht. Sie träumen von einer Kopie seiner raelianischen Mutter. Wer aber mit Jürgen Habermas annimmt, dass das einer liberalen Kultur entgegensteht – wofür es gute, nicht aber zwingende Gründe gibt –, kann ein Klonverbot zumindest einigermaßen plausibel begründen.

Fragt sich, wie ein solches Verbot aussehen kann. In den USA gibt es kein strafrechtliches Klonverbot. Deshalb will nun der Bundesanwalt von Florida im Fall „Eve“ den Eltern das Sorgerecht entziehen, weil sie sich angeblich den überkommenen Konventionen widersetzt und unverantwortliche Experimente zugelassen haben. Man möchte also familienrechtlich vorgehen. Ich halte dies für die schlechteste aller Möglichkeiten, da sie das geklonte Kind diskriminiert.

Angenommen, wir glauben wider alle Vernunft, „Eve“ sei ein Klon, dann hat auch dieses Kind die gleichen Rechte wie alle anderen auch. Der Tabubruch anlässlich seiner Zeugung mag sein Kindeswohl tangieren, aber zwingend ist dies nicht. Auch dass zu große Ähnlichkeit mit einem erwachsenen Erzeuger diesen unfähig machen muss, verantwortlich die Elternrolle zu leben, ist eine zu starke Behauptung. Wie man es dreht und wendet, Klonverbote sind allenfalls gattungsethisch zu begründen, als gesellschaftliches Interesse an einem Klonverbot. Damit sind aber diejenigen in großer Verlegenheit, die uns seit einigen Jahren einreden, Embryonen in vitro müssten um ihrer selbst wegen so geschützt werden, als handele es sich um geborene Menschen. Wäre dies aber wahr, dann müsste man das Klonverbot aufheben, da es – angenommen, die Methode funktioniert – voraussetzt, dass man der Gattungsmoral zuliebe das individuelle Lebensrecht des Klons opfert. Ich habe damit keine Probleme. Wer aber allzu bedenkenlos in anderen Kontexten vom absoluten Lebensrecht eines Embryos redet, sollte innehalten und sich klar machen, dass es keine zwingenden, sondern nur mehr oder weniger gute Gründe für die eine oder andere Regelung gibt.

Würde das Klönen über Klonen diesen Effekt haben, dann sollten wir den Raelianern dankbar sein. MONIKA FROMMEL