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Archiv-Artikel

EIN GELOCKERTER KÜNDIGUNGSSCHUTZ KÖNNTE ARBEITSPLÄTZE SCHAFFEN Kein Streit für alte Fronten

Es ist heute gar nicht mehr so einfach, in der Arbeitswelt die Gruppen abzugrenzen, die schwach sind oder große Risiken tragen und die man schützen und fördern muss. Wenn man die derzeitige Debatte verfolgt, haben vor allem zwei Gruppen zu kämpfen, wenn auch auf sehr unterschiedlichem Niveau: Die erste Gruppe sind die Arbeitslosen. Als zweite Gruppe meldet sich der Mittelstand, darunter besonders die Kleinunternehmer, die mit ihrer Firma ein persönliches Lebensrisiko tragen und den konjunkturellen Schwankungen direkt ausgesetzt sind. Wirtschaftsminister Wolfgang Clement hat vorgeschlagen, den Kündigungsschutz in diesen Kleinunternehmen zu lockern. Prompt erntete er scharfen Protest der Gewerkschaften. Doch diese Reaktion greift zu kurz: Man muss über eine Lockerung des Kündigungsschutzes reden können, ohne gleich der Sozialdemontage bezichtigt zu werden.

Die Lebenswirklichkeit zeigt, dass tatsächlich viele kleinere Unternehmer vor Neueinstellungen zurückschrecken, weil sie befürchten, sich von den Beschäftigten nicht mehr ohne lange Arbeitsgerichtsprozesse trennen zu können, wenn die wirtschaftliche Lage wieder schlechter wird. Auch viele junge Kleinunternehmer aus grünen, linken Milieus wünschen sich daher eine Flexibilisierung des Kündigungsschutzes, wie die Forderungen des Verbands Unternehmensgrün zeigen. Diese Arbeitgeber schlagen vor, dass schon bei der Neueinstellung festgehalten wird, wie sich die Abfindung im Falle einer Kündigung errechnet. Es geht also keinesfalls um eine Abschaffung, sondern um eine bessere Kalkulierbarkeit des Risikos, wenn es zu Entlassungen kommt.

Die Gewerkschaften sollten sich mit solchen Vorschlägen auseinander setzen, denn es bringt nichts, den Streit um den Kündigungsschutz einfach in die Kiste „Angriff auf die Arbeitnehmerrechte“ wegzupacken. Die Debatte berührt Fragen der Neubeschäftigung und der Mittelstandsförderung, die man nicht ignorieren kann.

Diskussionsgrundlage eines solchen Streites könnten die bisherigen Vorschläge sein: Clement will prüfen, ob der gesetzliche Kündigungsschutz erst in Betrieben mit einer höheren Beschäftigtenzahl gelten soll. Unternehmensgrün fordert kalkulierbare Abfindungsregelungen. Die CDU schlägt eine Lockerung des Kündigungsschutzes bei der Neueinstellung Älterer vor. Aus diesen Vorschlägen ließe sich immerhin eine Diskussionsgrundlage basteln – für einen Streit, der weniger mit alten Fronten, aber dafür viel mit real existierenden Milieus zu tun hätte. BARBARA DRIBBUSCH