piwik no script img

Archiv-Artikel

nebensachen aus paris Über die Risiken von 40. Geburtstagen

Termin im Schloss Versailles

Vierzigste Geburtstage sind keine Kleinigkeit. Für viele sind sie Anlass für eine Zwischenbilanz. Für andere der Moment, neue Projekte in Angriff zu nehmen. Und dann gibt es solche, die ihren 40. souverän übergehen. Schließlich ist es auch bloß ein Datum.

Wie Letztere haben es bislang die deutschen und französischen SpitzenpolitikerInnen noch mit jedem runden Geburtstag der Beziehung gehalten, die einst Adenauer und de Gaulle mit einer Umarmung und zwei Wangenküssen besiegelten. Zum 20., 25. und 30. Geburtstag des Élysée-Vertrags gab es Routinebesuche und manchmal auch handfeste Freundschaftsdienste. Wie im Jahr 1983, als der französische Sozialist Mitterrand in Deutschland an der Seite seines christdemokratischen Freundes Kohl im Bundestag auftrat, um die Stationierung der Pershing-Raketen zu verteidigen. Zwischendurch ging die Zusammenarbeit ihren Weg. Dabei lernten sich über die Jahrzehnte hinweg sieben Millionen Jugendliche aus beiden Ländern bei staatlich geförderten Austauschprogrammen kennen.

An diesem Mittwoch wird der Vertrag 40. Und da soll alles anders werden. Statt einer Routineveranstaltung ist ein Festakt geplant, wie es ihn nie zuvor in der Geschichte der Zwei-Länder-Beziehung gegeben hat. Paris empfängt nicht nur die deutsche Regierung, sondern auch alle interessierten Abgeordneten zu einer gemeinsamen Sitzung mit den Deputierten. Dazu wird der Kongresssaal im Schloss von Versailles geöffnet, den bislang nur die Mitglieder der beiden Kammern des französischen Parlaments benutzen durften, wenn sie ihre Verfassung änderten. In der Geschichte der V. Republik geschah das ein knappes dutzend Mal.

Am Mittwoch sollen – jeweils versetzt – ein deutscher und ein französischer Abgeordneter auf den roten Plüschbänken in dem Halbrund sitzen. Da nur eine winzige Minderheit der Parlamentarier die Sprache des Nachbarn spricht, werden Simultandolmetscher für Verständigung sorgen.

Schon vor der Verlesung einer Grundsatzerklärung zu den deutsch-französischen Beziehungen sollen sich die rund 800 Parlamentarier im „Schlachtensaal“ von Schloss Versailles näher kommen. Beim Essen zwischen Gemälden, die Napoléon und andere französische Militärs bei Schlachten von Jena über Friedland und Zürich bis Neuwied zeigen.

„Wer liebt, zählt nicht“, sagen die Franzosen, die die komplette Zeremonie bezahlen werden. Ihre deutschen Gäste müssen nur die An- und Abreise für den Tagesausflug bezahlen. Von Verschwendung deutscher Steuergelder kann also keine Rede sein. Hingegen drängt sich die Frage auf, warum Berlin und Paris ausgerechnet jetzt so viel parlamentarischen Aufwand betreiben. Zumal die Öffentlichkeit der beiden Länder wenig davon spüren wird. Die Budgets der Organisationen und Vereine, die den deutsch-französischen Austausch, den Sprachunterricht und Städtekontakte organisieren, sinken.

Ein Blick zurück nach Berlin zeigt, dass für für manche die organisierten 40. Geburtstage sogar die letzten sind. Das jüngste Berliner Beispiel dafür ist Genosse Honecker. Wenige Tage nachdem er die letzte Geburtstagsparade für seine DDR abgenommen hatte, verschwand er für immer von der Bühne. DOROTHEA HAHN