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Archiv-Artikel

Der „Tod des Abendlands“

Die größte Gemeinsamkeit von Bremerhaven und Barcelona heißt Palermo. Und Blinky Palermo ist in der Karlsburg mit einer Retrospektive seiner Kunst zu sehen, die vielen Kritikern ein Graus war

Was haben Bremerhaven und Barcelona gemeinsam? Nicht nur den Namen des örtlichen Fußballclubs FCB, sondern auch Ausstellungen. Mit ihnen wird das Werk eines großen Beuys-Schülers gewürdigt, dessen Name schon früh zur Legendenbildung taugte.

Blinky Palermo tauchte 1966, als 23-Jähriger, in der deutschen Kunstszene auf, 11 Jahre später war er tot. Seitdem wird seine Biografie mit der Jim Morrisons oder Jimi Hendrix’ verglichen. Der Ankündigungstext zur Schau in Barcelona ernennt Palermo gar zum „James Dean der deutschen Kunst“. Die kleinere, dennoch feine Retrospektive der Bremerhavener Kunsthalle zeigt 25 Druckgrafiken und multiplizierte Objekte. Diese Ausstellung war 1980 schon einmal zu sehen, und 23 Jahre später haben die Werke nichts von ihrer Fremdheit eingebüßt.

Es ist dem Gründer des Kabinetts für Aktuelle Kunst, Jürgen Wesseler, zu verdanken, dass der Kunstverein einige Palermos besitzt. Dreimal – 1969, 1970 und 1971 – stellte der Maler in Wesselers kleinem Laden-Kunstraum aus. „Die Kritik“, erzählt der heutige Kunsthallen-Vorsitzende rückblickend, „sah mehrheitlich den kulturellen Tod des Abendlandes gekommen, und der Kunstverein machte sich ernsthafte Sorgen.“

Was war passiert? Blinky Palermo hatte aufgeräumt mit dem unverbindlichen, bunt-fröhlichen Charakter der Pop-Art. Als strenger Minimalist und Konzept-Künstler orientierte er sich an den russischen Konstruktivisten der frühen Zwanziger und der Farbfeldmalerei seines Zeitgenossen Barnett Newman. 1971 bemalte Palermo eine Seitenwand des Bremerhavener Kabinetts mit den Umrissen des Fensterrahmens – das Bild, zugleich naturgetreues Abbild und Symbol, machte den Raum bundesweit bekannt. Zur Zeit lässt ihn Gregor Schneider für die Hamburger Kunsthalle maßstabsgetreu nachbauen.

Viele der jetzt gezeigten Grafiken beziehen sich auf nicht mehr existierende Wandmalereien. Etwa die Lithografien zur „Ausstellung 5“ von 1968, in denen Palermo Linienformen in rechtwinkligen Konstellationen entwickelt, die an die digitalisierte Ziffer 5 erinnern.

Bei aller geometrischen Strenge bleibt Palermo doch der Malerei verpflichtet und betont gerne deren Unschärfe. „Flipper“ heißt ein mehrfarbig gemustertes Multiple, das das Seitenwand-Muster des Spielautomaten in Palermos Düsseldorfer Stammkneipe nachbildet. Am schönsten sind sieben Blätter mit Titeln wie „Hommage an Picasso“, „Mit Komma“ oder „Auto“ – deren Farbigkeit verrät, bei aller Reduktion und Strenge, den Romantiker und Träumer, der Palermo auch war. Hans Happel

Bis 9. Februar in der Karlsburg 4: Di-Fr von 14 bis 18, Sa/So 11 bis 13 Uhr