Verbindungen des Nazi-Terrortrios: Der Staat, der Terror und die Partei
Die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe soll 2004 an einer NPD-Weihnachtsfeier teilgenommen haben. Auch andere Spuren verbinden das Trio mit der Partei.
Das NPD-"Heim" lag etwas außerhalb von Georgsmarienhütte an der Bundesstraße 51. Seit Ende der 80er Jahre galt das heruntergekommenen Fachwerkgebäude als Treff der rechtsextremen Szene. In dem Haus am Harderberg fanden regelmäßig Liederabende, Schulungen und Vortragsrunden statt. Kader der NPD, aber auch der militanten Kameradschaften waren hier in Niedersachsen gern gesehene Gäste - und angeblich auch die abgetauchten rechtsextremen Terroristen der "NSU".
Nach Aussagen eines Aussteigers soll Beate Zschäpe, Jahre nachdem sie und die beiden Terroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in den Untergrund gegangen waren, im Jahr 2004 an einer Weihnachtsfeier in dem inzwischen abgerissenen Haus teilgenommen haben. Im März zuvor soll sie schon bei einer Kundgebung in Georgsmarienhütte gesehen worden sein. Der niedersächsische Verfassungsschutz weiß, dass damals 30 bis 40 Personen zur Weihnachtsfeier in das NPD-"Heim" kamen. Dass Z. dabei war, könne man zwar nicht bestätigen. "Möglich ist es aber", sagte eine Sprecherin.
Unmittelbar vor dem Untertauchen bewegte sich das Terror-Trio im Umfeld der NPD. Im Januar 1998 beteiligten sie sich in Dresden an einer NPD-Demonstration gegen die Wehrmachtausstellung, wie Fotos von damals zeigen. In den Händen das Transparent: "Nationalismus - eine Idee sucht Handelnde".
Nach dem Bekanntwerden der mindestens zehn Morde durch den "Nationalsozialistischen Untergrund" betrachtet man solche Verbindungen natürlich in neuem Licht. Jedes weitere Detail befeuert die schon seit Tagen laufende Debatte um ein neues NPD-Verbotsverfahren. Das erste war 2003 daran gescheitert, dass die Politik sich weigerte, die V-Leute des Verfassungsschutzes abzuschalten.
Nun wird das frühere enge Umfeld der drei Neonazis von den Ermittlern genau unter die Lupe genommen, vor allem ein halbes Dutzend Kumpels aus der Jenaer Kameradschaftsszene, die Teil des größeren Zusammenschlusses "Thüringer Heimatschutz" waren.
Freunde aus alten Zeiten
Zwei Namen, die jetzt immer wieder fallen: Ralf W. und André K. Mit ihnen erschienen Mundlos und Böhnhardt im Herbst 1996 beim Prozess gegen einen Altnazi. Die Gruppe entrollte im Gericht ein Transparent: "Unsere Großväter sind keine Verbrecher". André K. soll den dreien 1998 dann beim Abtauchen geholfen haben, er möchte dazu nichts sagen.
Ralf W. machte später in der NPD Karriere, wurde eine Zeit lang Vizelandeschef in Thüringen und Pressesprecher. Bis 2010 blieb er Kreisvorsitzender in Jena, trat dann aber von seinen Ämtern zurück. Wie interne E-Mails aus der NPD belegen, die der taz zugespielt wurden, steht Ralf W. aber weiter in enger Verbindung mit der rechtsextremen Partei.
So fragt ihn im November 2010 ein NPD-Mann, ob er nicht Fotos über einen Fackelaufmarsch der Rechtsextremen auf die Internetseite des "Aktionsbüros" setzen will, das sich selbst "informelle Netzstruktur für den nationalen Widerstand in Thüringen" nennt. In einer anderen E-Mail beschwert Ralf W. sich über einen alten Weggefährten, der "den Weg zurück in die BRD gehen" will: "Drecksack." Auf eine taz-Anfrage reagierte W. nicht.
Die Grenzen verschwimmen
Auch in einem internen, passwortgeschützten Forum des militanten "Freien Netzes", ein Zusammenschluss militanter Kameradschaften aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, schrieb Ralf W. mit. In den Jahren 2008 und 2009 bekennen sich seine Kameraden dort freimütig als Nationalsozialisten, huldigen dem "Chef" Adolf Hitler oder wettern gegen "das transnationale Kapital unter Führung der USA und dessen Nahost-Brückenkopf Israel".
Sie besprechen militante Vorhaben, wollen "das System wegblasen" und bejahen körperliche Gewalt - bis hin zum Töten von Polizisten. Dort schreibt auch der heutige Vize-Landeschef der NPD in Sachsen mit: Maik Scheffler. NPD, militante Kameradschaften, Rechtsterrorismus - die Grenzen verschwimmen.
Und dennoch zögert Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich, den Schritt für ein neues NPD-Verbot zu gehen. Denn er weiß, wie langwierig der Weg dorthin ist, mindestens zwei bis drei Jahre würde das Verfahren dauern.
Um kein erneutes Scheitern zu riskieren, müssten die V-Leute abgeschaltet werden; das würde zwangsläufig dazu führen, dass der Staat weniger für ein Verbot in der Hand hat. Es ist ein Dilemma: Die NPD will das System abschaffen, doch der Staat scheint sie kaum mehr abschaffen zu können.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour
Täter von Magdeburg
Schon lange polizeibekannt
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen