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Archiv-Artikel

Die Einheit von Kunst und Wein im orangefarbenen Papierturm

„Rückblende 2002“: Die besten Karikaturen und Fotografien des Jahres. Zwei Zeichner und ein Fotograf werden für ihre in der taz veröffentlichten Bilder mit Preisen geehrt

Von MIR

Achim Greser ist ein Naturwunder. Die rothaarige Hälfte des Frankfurter Zeichner-Duos „Greser & Lenz“ wirbelt noch die steifste Veranstaltung durcheinander. Als ihm am Dienstagabend bei der Eröffnung der Ausstellung „Rückblende 2002“ als Preis für die zweitbeste Karikatur des Jahres ein edles Schreibgerät überreicht wurde, fingerte Greser an dem teuren Füller herum und wurde prompt von einem Tintenstrahl besudelt. „Achim, Achim“-Rufe schallten durch die rheinland-pfälzische Landesvertretung in Berlin. Die versammelten Zeichner waren begeistert, der Sponsorenvertreter schaute etwas pikiert drein.

Doch nicht der FAZ-Zeichner, sondern die Karikaturisten und Fotografen der taz standen im Mittelpunkt der diesjährigen Preisverleihung für die besten Fotografien und Karikaturen des zurückliegenden Jahres. Gleich drei Preisträger hatten ihre Bilder als Auftragsarbeiten in der taz veröffentlicht. Der erste Karikaturenpreis und damit 5.000 Euro vom Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger gingen an Jürgen Dieko Müller für eine Zeichnung zum Ehegattensplitting. Als Strafe für den gut dotierten Preis musste es sich Dieko allerdings gefallen lassen, auf der Bühne von einem weinseligen Redner mit der Frage des Abends konfrontiert zu werden: „Wie sind Sie auf die Idee gekommen?“ Dazu fällt einem dann nichts mehr ein.

Auf dem dritten Platz landete Burkhard Fritsche mit einer Zeichnung zu Möllemann und der Fußball-Weltmeisterschaft. Auch Fritsche stand etwas verschreckt bei der Preisübergabe da, als ihm eine rheinland-pfälzische Weinkönigin mehrere Sekt- und Weinflaschen überreichte. Der leicht bekleideten Dame aber hatte man einen seltsamen orangefarbenen Papierturm ins Haar drapiert, was wahrscheinlich die Einheit von Kunst und Wein oder was auch immer symbolisieren sollte.

Zuvor waren die von der rheinland-pfälzischen Landesvertretung gestifteten Preise für politische Fotografie vergeben worden. Für sein in der taz veröffentlichtes Bild aus der Wahlnacht wurde der freie Fotograf Karsten Thielker geehrt. Weitere Preise gingen an den Reuters-Bildjournalisten Fabrizio Bensch und an Hans-Christian Plambeck von der Agentur HCP-Foto. Für die beste politische Fotografie des Jahres 2002 wurde schließlich Michael Trippel von der Agentur Ostkreuz mit 5.000 Euro belohnt.

Die Frage, warum eigentlich die Humorhochburg Rheinland-Pfalz jedes Jahr in ihrer Berliner Landesvertretung die Preisverleihung ausrichtet, konnte keiner der circa 300 Gäste in der Schlange vor dem endlich eröffneten Büfett beantworten. Genauso wenig wie die Frage, warum eigentlich alle Zeichner und Fotografen lange und breite Koteletten an den Backen tragen. Die ließen sich allerdings davon gar nicht stören und umschwänzelten lieber die schöne Weinkönigin, um das Geheimnis ihrer papiernen Frisur zu ergründen. Und wieder tat sich Achim Greser hervor und stellte noch einmal die Frage des Abends: „Wie sind Sie auf die Idee gekommen?“ Greser und die Weinkönigin gickelten heftig, und wenn sie nicht gestorben sind, dann lachen sie noch heute. MIR