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Archiv-Artikel

Entwicklungshelfer mit Sogwirkung

Dank Trainer Frank Menz dürfen die Basketballer des TuS Jena von der ersten Liga träumen. Es wäre ein Quantensprung

JENA taz ■ Die erste Liga hatte Frank Menz abgeschrieben. „Für mich war klar, dass mit dem Wechsel nach Jena Erstliga-Basketball erst mal vorbei ist“, sagt Menz, 38, Trainer des Jahres 2000, dem in seiner besten Zeit Angebote von Spitzenteams vorlagen. Doch dann kam es zu dieser Geschichte in Weißenfels.

Menz führte das Team aus Sachsen-Anhalt nach oben. Die Region entflammte für Basketball. Menz war der Katalysator dieser Hochstimmung. Die Gedanken um Basketball entwickelten die Dynamik eines Perpetuum mobile. In der ersten Saison sprang Platz sechs heraus. Weißenfels spielte international. In der zweiten stand die Mannschaft ähnlich gut. Die Ansprüche des Umfelds wuchsen schneller als das Spielvermögen. Setzte es eine Niederlage gegen Leverkusen, wurde bereits gemault. Dann überwarf sich Menz mit dem Manager. Er oder ich, daran knüpfte der Trainer seine Vertragsverlängerung. Der Manager gewann, Menz wurde entlassen. Das hat ihn so sehr verletzt, dass er von Basketball nichts mehr wissen wollte. Heute sagt er: „Ich habe vieles unterschätzt. Bei dem Job ist so viel Politik mit dabei, Lobbyarbeit – Sachen, die mir überhaupt nicht liegen.“

Man muss diese Geschichte erzählen, denn sie führte Menz im Sommer vergangenen Jahres nach Jena – und eben nicht zu den Frankfurt Skyliners oder auf den Posten des A2-Nationaltrainers. Sondern in ein Provinznest, das von Spitzenbasketball noch nicht sonderlich viel gehört hatte. Bis Menz kam, der, wo immer er hinkommt, eine Sogwirkung entfaltet. „Ich komme nicht nur als Trainer“, sagt er, „sondern auch als eine Art Entwicklungshelfer.“ Wo basketballerische Ideenarmut war, werden fortan Pläne geschmiedet und Konzepte entworfen, und man hört Leute überschwänglich davon reden, die Euphorie sei so enorm, dass man sie kanalisieren müsse.

„Es ist momentan ein großer Boom da“, hat auch Menz ausgemacht, „alles geht nach vorn, alle Teams im Verein gewinnen.“ TuS Jena hat in dieser Spielzeit erst zweimal verloren, steht auf dem dritten Platz der Bundesliga Süd hinter Karlsruhe und Ulm, der Tabellenerste steigt direkt auf. „Wir liegen über dem Soll, im Grunde gehören wir da vorn gar nicht hin“, bremst Menz den aufkommenden Übermut. Er will den Druck von den jungen Spielern nehmen, aber auch die Lehren aus seiner Zeit in Weißenfels ziehen: „Wir wollen langsam nach vorne gehen.“

Der Aufstieg ist deswegen kein Muss. Steffen Hausdörfer („Ich bin sozusagen der Manager“) findet Gedanken an den Aufstieg „irgendwie komisch“. Unter die ersten acht wollte man kommen in der zweiten Bundesliga-Saison, nachdem es zuvor für Platz zwölf reichte. Hausdörfers Lieblingsvokabeln sind „Kontinuität“ und „Wachstum“. Schritt für Schritt möchte er setzen, wie Menz.

Zuallererst muss das Hallenproblem gelöst werden. Noch spielt Jena in einem hässlichen Zweckbau im Plattenbauviertel Lobeda-West. Die „Sporthölle“ verströmt den kalten Schweiß der DDR-Zeit. Trotzdem zieht es im Schnitt 1.000 Zuschauer zu den Spielen. Sie machen ein Spektakel, wie es die Sporthölle noch nicht erlebt hat. Geplant ist ein Hallenneubau mit 4.000 bis 6.000 Sitzplätzen, „Ende 2004 steht er hoffentlich“, sagt Hausdörfer. TuS Jena, führt er fort, sei ein Verein, in dem es „noch authentisch“ zugehe, „nicht so aalglatt“.

Menz kennt die Situation aus Weißenfels, die Parallelen sind unübersehbar: Aus basketballerischem Brachland wird fruchtbares Terrain. An der Erschließung des Geländes sind viele Spieler aus der Region beteiligt, zwei sind aus Tübingen gekommen, zwei sogar aus Weißenfels. Topscorer sind der Amerikaner Rod Cousin und der Litauer Giedrius Aidietis. Die Stärke des Teams liegt in der Verteidigung. „Im Angriff sind wir limitiert“, gibt Menz zu. Für Verstärkungen reicht das Geld nicht. Der spärliche Etat von 370.000 Euro markiert das Dilemma des Vereins. Doch es mangelt nicht nur an Geld, ein hauptamtlicher Manager müsste her, ein professioneller Kotrainer und bessere medizinische Betreuung. „Das wird kommen“, sagt Frank Menz. Er weiß, dass er nichts überstürzen darf. „Das wäre zu gefährlich.“

MARKUS VÖLKER