piwik no script img

Archiv-Artikel

„Eine militärische Unternehmung“

Ex-Verfassungsrichter Hans Hugo Klein fordert für den geplanten Awacs-Einsatz ein Mandat des Bundestags. Die Bundesregierung lehnt dies ab; die Awacs würden nur die Türkei sichern – also Nato-Gebiet. Klein dazu: „Völlig egal“

taz: Herr Klein, Sie waren einer der Verfassungsrichter, die 1994 den Parlamentsvorbehalt für Auslandseinsätze der Bundeswehr „eingeführt“ haben. Wie sehen Sie den geplanten Awacs-Einsatz in der Türkei?

Hans Hugo Klein: Ich halte ihn nach derzeitigem Kenntnisstand für zustimmungspflichtig.

Warum?

Die Awacs-Flugzeuge sollen laut Verteidigungsministerium den türkischen Luftraum sichern. Also werden sie Gefahren melden und der Türkei – oder wem auch immer – militärische Gegenwehr ermöglichen. Damit sind deutsche Soldaten Teil einer bewaffneten Unternehmung.

Es kommt also nicht darauf an, ob Awacs-Besatzungen ihre Informationen im Kriegsfall auch an US-Truppen weitergeben?

Nein. Aber eine derartige Kooperation mit einer Krieg führenden Partei würde den Awacs-Einsatz natürlich erst recht zustimmungspflichtig machen.

Auch wenn der Einsatz nur in der Türkei – also im Nato-Bündnisgebiet – stattfindet?

Für den Parlamentsvorbehalt ist es völlig egal, ob ein deutscher Soldat im Bündnisgebiet oder „out of area“ kämpft. Entscheidend ist die Verwicklung in bewaffnete Unternehmungen.

Die Bundesregierung verweist darauf, dass 2001 ein Awacs-Einsatz über den USA ohne Zustimmung des Bundestags durchgeführt wurde.

Ich glaube, dass man beide Fälle nicht gleichsetzen kann. Die Sicherung des Luftraums über den USA war eine Routineaufgabe. Eine ernsthafte Wahrscheinlichkeit, dass die Maschinen in eine militärische Auseinandersetzung verwickelt werden, bestand nicht. Das ist jetzt in der Türkei eindeutig anders.

Wenn die Türkei die USA logistisch unterstützt und Deutschland die Türkei verteidigt, ist Deutschland dann nicht sogar in das US-Vorgehen gegen den Irak einbezogen?

So kann man das durchaus sehen. Noch ein Grund mehr für die Zustimmungspflicht im Bundestag.

Muss die Bundesregierung vor jedem militärisch brenzligen Awacs-Einsatz den Bundestag fragen?

Nach derzeitiger Rechtslage ist das so.

Bei Flugzeugen mit gemischten Mannschaften wird die Erfüllung von Bündniserwartungen nicht gerade erleichtert.

Deshalb haben wir der Politik einen Ausweg aufgezeigt. In einem Entsendegesetz könnten für Einsätze, die im Rahmen klar definierter völkerrechtlicher Verpflichtungen stattfinden, geringere Anforderungen festgelegt werden.

Wie könnte ein solches Gesetz aussehen?

Denkbar wäre, dass ein Mandat der Bundesregierung genügt und der Bundestag lediglich eine Rückholung der Truppen fordern kann.

Es wird alternativ überlegt, dass deutsche Awacs den Luftraum über den USA sichern, damit die frei gewordenen US-Kräfte in der Türkei tätig werden. Wie beurteilen Sie dies?

Dies würde nach meiner Auffassung nicht der Zustimmung des Bundestags bedürfen. Entscheidend ist hier, dass die deutschen Soldaten nicht selbst Teil der militärischen Unternehmung wären. INTERVIEW: CHRISTIAN RATH