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Archiv-Artikel

Vorläufiges Ende eines Mietstreits

Feuer in einem Göttinger Afro-Shop: Während die Polizei von einem technischen Defekt spricht, glaubt der Betreiber an einen Anschlag. Sein Vermieter hatte ihn immer wieder bedroht und schlussendlich die NPD um Hilfe gebeten

VON REIMAR PAUL

Vor dem „O. J. Markt“ riecht es nach Rauch und Ruß. Eine Scheibe des Afro-Shops in der Göttinger Innenstadt ist zerborsten, die Einrichtung weitgehend verbrannt, vor die kaputte Eingangstür hat die Feuerwehr provisorisch eine dicke Spanplatte montiert. In der Nacht zum vergangenen Samstag, zwischen zwei und drei Uhr, war in dem Laden ein Feuer ausgebrochen. Mobiliar und Waren im Wert von rund 65.000 Euro wurden nach vorläufigen Schätzungen zerstört.

Nach Angaben der Polizei ist das Feuer „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ auf einen technischen Defekt zurückzuführen. Zweimal waren die Ermittler inzwischen vor Ort. Spuren eines Brandbeschleunigers oder andere Hinweise auf einen Anschlag fanden sie nicht. Doch der Inhaber des Ladens und viele seiner Freunde und Kunden haben da Zweifel. Sie verweisen auf Drohungen des Vermieters und seine Kontakte zur NPD.

„Für mich ist die Version der Polizei kaum zu glauben“, sagt Joseph Akhigbe Michael. Der Nigerianer, er kam vor 12 Jahren nach Göttingen und lebt mit einer unbefristeten Aufenthaltserlaubnis in der Universitätsstadt, hatte den Laden vor zwei Jahren angemietet. Im Juli 2007 erwarb der jetzige Besitzer, der Verleger Freiherr von W., die Immobilie und erhöhte kurz darauf die Miete für den Shop von 500 auf 700 Euro. Gleichzeitig forderte er eine im Mietvertrag ursprünglich nicht vorgesehene Zahlung einer Kaution über zwei Monatsmieten.

Als Michael die erhöhten Zahlungen verweigerte, brach W. einen Psycho-Krieg gegen seinen Mieter vom Zaun. Er klebte Zettel mit der Aufschrift an, dass der Laden zu vermieten sei und der Pächter ihm 5.000 Euro schulde. Auch fing er Kunden am Eingang ab, um diesen sein Leid zu klagen und sie so vom Betreten des Shops abzuhalten. Beim Göttinger Amtsgericht sind zudem Bemühungen des Vermieters aktenkundig, Michael bei den Behörden zu denunzieren. „Er hat unter anderem behauptet, ich hätte keine Papiere, ich würde illegal Leute beschäftigen oder meine Lebensmittel seien abgelaufen“, erzählt Michael. „Nichts davon stimmte.“

Als das Gericht den Rufmord per einstweiliger Verfügung stoppte, wandte sich Vermieter W. in seiner Not im Sommer schriftlich an die Göttinger NPD. „Mittlerweile ist durch das fehlende Geld mein Konto gesperrt und mir droht die Zwangsversteigerung meiner Immobilie! Kann ich bei Euch irgendwelche Hilfe bekommen?“, schrieb er darin. Die rechtsextreme Partei veröffentlichte das Schreiben auf ihrer Internetseite und versah es ihrerseits mit rassistischen Kommentaren: „Das ist dem Bewusstsein des Negers fremd.“

Michael berichtet zudem von immer massiveren persönlichen Drohungen, die sein Vermieter gegen ihn ausgestoßen habe. „Ich hetze dir die Russen auf den Hals“, soll W. gesagt haben. Freunde des Nigerianers bezeugen, sie hätten den Vermieter in jüngster Zeit mehrfach in Begleitung von Neonazis gesehen. Noch am Donnerstag vor dem Brand sei der Afro-Shop von Rechtsradikalen fotografiert worden.

Kritik übt Michael auch an dem Verhalten der Polizei nach dem Brand. „Die haben mich nicht angerufen oder bei mir geklingelt. Dabei war ich nachts bis um vier Uhr wach und habe die Debatte zwischen Obama und McCain im Fernsehen geguckt.“ Erst als er am Sonntagmittag zu seinem Laden ging, habe er die Zerstörungen bemerkt. Mit einer Gruppe von Unterstützern, unter ihnen auch der Linke-Landtagsabgeordnete Patrick Humke-Focks, zog Michael selbst zur Polizeiwache. Und erreichte nach eineinhalbstündiger Diskussion mit den Beamten, dass für die folgende Nacht ein Streifenwagen vor seiner Wohnung Position bezog.

Die Unterstützer von Joseph Akhigbe Michael sagen: „Ob es nun ein technischer Defekt war oder nicht, es kann nicht sein, dass Ausländer auf diese Weise schikaniert und eingeschüchtert werden.“ Weil zunächst noch nicht feststand, ob eine Versicherung für die Brandschäden aufkommt, ist auch eine Spendenaktion angelaufen.