piwik no script img

Archiv-Artikel

Champagner und offene Fragen

Ein neues Abkommen zwischen allen feindlichen Fraktionen soll den Bürgerkrieg in der Elfenbeinküste beenden. Präsident Laurent Gbagbo soll demnach seine Macht teilen, in eine neue Armee sollen alle Rebellengruppen integriert werden

von DOROTHEA HAHN

Die Signale sind widersprüchlich: In Paris flossen Champagner und Tränen der Erleichterung, als alle feindlichen Fraktionen der Elfenbeinküste am Donnerstag ein Abkommen über eine demokratische Übergangslösung unterzeichneten. Aus dem Westen der Elfenbeinküste hingegen werden neue blutige Auseinandersetzungen mit zahlreichen Toten gemeldet, an denen neben Regierungstruppen und Rebellen auch offizielle Truppen aus dem Nachbarland Liberia beteiligt sein sollen. Und dann ist da noch das Nein mehrerer Staatschefs zu ihrer Teilnahme an dem an diesem Wochenende in Paris stattfindenden Westafrika-Gipfel.

Nach neun harten Verhandlungstagen einigten sich die Vertreter der zehn ivoirischen Delegationen in Marcoussis bei Paris auf einen Kompromiss. Er kommt sowohl dem ivorischen Präsidenten Laurent Gabgbo, als auch den drei Rebellenfraktionen entgegen, die seit dem Putschversuch am 19. September die Hälfte des ivorischen Territoriums erobert haben.

Danach soll eine „Regierung der nationalen Aussöhnung“ mit Vertretern sämtlicher Rebellenbewegungen gebildet werden. Präsident Laurent Gbagbo, der einen Rücktritt kategorisch abgelehnt hatte, kann zwar im Amt bleiben, muss jedoch einen Teil seiner Befugnisse an einen starken Premierminister abgeben. Die künftige Regierung soll alles weitere regeln: von der Bildung einer neuen Armee, an der alle Rebellenorganisationen beteiligt werden sollen, über die Ausarbeitung einer neuen Verfassung, die unter anderem die komplizierte Frage der Staatsangehörigkeit und das umstrittene Bodenrecht verändern soll, bis zur Vorbereitung von Neuwahlen. Den „starken Premierminister“ für die Übergangsregierung haben die Unterhändler bis gestern nicht bestimmt. Die beiden stärksten Figuren aber, der bei einem Putsch Ende 1999 geschasste Expräsident Henri-Konan Bédié und der populäre Oppositionspolitiker Alassane Ouattara, stehen nicht zur Verfügung. Beide wollen Präsident werden, und das können sie nicht, wenn sie Premierminister sind.

Einige Staatschefs und Diktatoren aus der Region werden sich an diesem Wochenende, zusammen mit UN-Generalsekretär Kofi Anan, beim Westafrika-Gipfel in Paris zu dem Abkommen äußern. Der Chef des liberianischen Militärregimes, Charles Taylor, allerdings hat bereits abgesagt: „aus logistischen Gründen“.

Der togolesische Diktator Eyadena Gnassingbé, zentrale Figur der afrikanischen Vermittlungsbemühungen, will ebenfalls nicht nach Paris kommen. Blaise Compaoré, Staatschef des benachbarten Burkina Faso hingegen, der ebenfalls mit einem Putsch an die Macht kam, will zwar nach Paris reisen, hat jedoch bereits seine Absicht angekündigt, seinen Kollegen Gbagbo demnächst wegen Menschenrechtsverletzungen vor ein internationales Gericht zu bringen.

Wie viel Einfluss die Verhandlungspartner von Marcoussis auf dem militärischen Terrain in der Elfenbeinküste haben, ist noch unklar. Zumal im Westen des Landes. Nach der festen Überzeugung des ivorischen Verteidigungsministers sind dort offizielle liberianische Truppen an den Kampfhandlungen beteiligt.

Die Regierung in Abidjan hat Paris angerufen, ihr bei der Verteidigung ihrer mehr als siebenhundert Kilometer langen Landesgrenze zu Liberia im Rahmen eines militärischen Beistandspakts aus dem Jahr 1961 zu helfen. Paris soll, so wünscht es Abidjan, weitere Soldaten schicken, zusätzlich zu den 2.500, die bereits jetzt über die Einhaltung des Waffenstillstands zwischen den Bürgerkriegsgegnern wachen.