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Archiv-Artikel

Den Ball flach halten

Nach der 1:2-Heimniederlage gegen Schalke 04 versucht man beim VfL Wolfsburg, ganz ruhig zu bleiben

WOLFSBURG taz ■ Ruhig, ganz ruhig. Das ist der Eindruck, den sie seit Samstag in Wolfsburg vermitteln wollen. Soll bloß keiner den Eindruck bekommen, nach dem 1:2 gegen Schalke werde ein längst geschriebenes Drehbuch nun auch zügig auf den VfL angewandt. Es ist die alte Geschichte: Klub und Trainer geben im Winter bekannt, dass sie sich am Saisonende trennen – dann werden ein paar Spiele verloren, und die Trennung erfolgt umgehend.

Aber Wolfgang Wolf sagt, er lasse sich von der Entwicklung „nicht schrecken“. Der VfL-Trainer hat in fünf Jahren Wolfsburg schon einige Krisen mitgemacht, dies hier ist keine. Noch keine. Zunächst sind es zwei Heimniederlagen in Folge, seit dem Umzug des Klubs aus einem veralteten Zweitligasportplatz in die hochmoderne VW-Arena. Das ist faktisch ein Problem für einen Klub, der auswärts in dieser Saison kaum gepunktet hat. Stärker wiegt der emotionale Faktor: Das neue Stadion wurde als Aufbruch in eine neue Epoche vermarktet bzw. rezipiert. Die Worte Champions League wurden von den Machern des Mehrheitsaktionärs VW eingeführt und stehen im Raum. Geplant war allerdings nicht, das das Team mit Betreten des neuen Stadions plötzlich auf einer neuen Qualitätsstufe Fußball spielt – allerhöchstens hie und da irrational erhofft. Geplant war aber natürlich auch nicht, dass die Sache so „gründlich in die Hose geht“, wie Stürmer Tomislav Maric gewohnt volksnah den Stand der Dinge zusammenfasste.

So haben Trainer Wolf und Manager Peter Pander nach Spielschluss eine gemeinsame Kommunikationsstrategie entwickelt, die der Manager „den Ball flach halten“ nennt. Beide redeten hauptsächlich über die beim 1:2 sichtbar gewordenen Unterschiede zwischen dem derzeitigen Mittelklasseklub Wolfsburg und dem Champions-League-Aspiranten Schalke. „Da müssen einige aufhören zu träumen“, sagte Wolf und verwies auf die Übermacht von „18 Nationalspielern“ beim Gegner, nicht alle zeitgleich auf dem Platz, aber es sah manchmal so aus.

Schalke zeigte nach durchwachsener Vorbereitung etwas überraschend „die beste Saisonleistung“, wie Trainer Frank Neubarth konstatierte. Das Team arbeitete ohne Ball kompakt und weitgehend fehlerlos, sodass Wolfsburg keinen Spielaufbau zustande bekam, von Chancen gar nicht zu reden. Und das, obwohl Stefan Effenberg sich mühte. Wenn selbst er über 90 Minuten praktisch keine Lücken fand, muss man davon ausgehen, dass es keine gab. Maric’ Anschlusstreffer (71.) war Zufall nach abgepralltem Effenberg-Freistoß. Wolfsburg selbst arbeitete ganz und gar nicht kompakt. Speziell in der Innenverteidigung Madsen/Franz taten sich von der ersten Minute an Lücken auf, die Schalke kurz nach Wiederanpfiff mit zwei relativ simplen Flugbällen fand, und die Kmetsch und der starke Varela nutzten.

Wolfgang Wolf hat zwar Recht, wenn er sagt, dass Schalke einen qualitativ deutlich besseren Kader hat. Aber den hatten auch Dortmund und Bremen, denen vor ein paar Wochen vom VfL praktisch die Luft abgedrückt wurde – im alten Stadion. Warum ist man im neuen nicht so kompakt und aggressiv? Die Spieler geben sich ahnungslos (Kapitän Karhan) bzw. nicht zuständig (Maric). Wolf sagt, es sei die „Nervosität“. Er selbst wird nicht nervös, angeblich. Und so, wie es aussieht, will es der Klub mit ihm auch bis zum Saisonende schaffen. Es macht Sinn – schon weil man mittlerweile Trainer mit Perspektive kaum zu einem anderen Zeitpunkt zum Einsteigen bewegen kann als dem 1. Juli. Egal, ob sie nun, wie Manager Pander sagt, „Gross oder klein“ sind.

Christian Gross (FC Basel) gilt laut Auguren nach wie vor als Favorit auf die Wolf-Nachfolge, aber auch er kann allenfalls im Sommer einsteigen. Zielvorgabe für den Neuen ist, sagt Pander bescheiden, „den Uefa-Cup anzugehen“. Der ist für diese Saison abgehakt, zumindest „vorerst“ von Wolf. Damit wäre zwar die Luft raus und die gerade entstandene Aufbruchstimmung, aber eben auch der Druck – solange es nicht richtig abwärts geht.

Wolfgang Wolf, das ist klar, graut vor einem Abgang in allen Unehren. „Die nächsten Wochen“, sagt er, „werden sicher nicht einfach.“ PETER UNFRIED