: Grundrechte auch für Durchgeschüsselte
Niedersachsens Grüne entwerfen ein neues Versammlungsrecht: weniger Polizei-Aufnahmen, Namensschilder für Beamte, Abschffung der Landtags-Bannmeile. Die CDU findet diese Vorstellungen „wirklichkeitsfremd“, und auch unter Polizisten herrscht nicht durchweg Begeisterung
Ein recht schwammiges „Militanzverbot“ und stärkere Daten-Erhebungen im Vorfeld von Demonstrationen – das sind die ersten Details des Entwurfs für ein neues Versammlungsgesetz, die aus Niedersachsens Innenministerium an die Öffentlichkeit sickern. Die Grünen setzen nun einen eigenen Entwurf dagegen, der in der kommenden Woche in den Landtag eingebracht werden soll: Darin präsentiere sich der „Staat als Dienstleister des Menschen“, sagte der grüne Innenexperte Ralf Briese am Donnerstag.
Protestieren soll einfacher werden, findet Briese. Und, dass künftig auch schon Menschen ab 14 Jahren Ordner sein können sollen. Aber auch, dass das Versammlungsrecht an Orten eingeschränkt werden muss, die an den Nationalsozialismus erinnern.
„Wirklichkeitsfremd“, sei der Grünen-Vorschlag, konterte Brieses CDU-Kollege Hans-Christian Biallas. Für „undurchdacht“ hält er vor allem den Plan, die Bannmeile rund um den Landtag aufzuheben: Dann könnten links- und rechtsextremistische Gruppierungen das Parlament „als Kulisse missbrauchen“, sagte der CDU-Mann.
Nach den Vorstellungen der Grünen sollen sich Polizisten künftig gegenüber Demonstranten mit Namensschildern ausweisen. „Nummern wollten sie nicht“, sagt Briese, der sich über seine Pläne schon mit Polizeivertretern unterhalten hat. Bei der Polizeidirektion Lüneburg, die für die Castor-Transporte zuständig ist, seien die Vorschläge auf wenig Zustimmung gestoßen, räumt er ein. Ein Kritikpunkt: Bei Protestaktionen soll nicht mehr alles gefilmt werden dürfen. „Diffuse Übersichtsaufnahmen, welche auf potenzielle Versammlungsteilnehmer abschreckend wirken könnten“, soll es künftig nicht mehr geben, so Briese. Bei Gefahr im Verzug und zur Aufklärung von Straftaten würden aber auch die Grünen das Filmen erlauben.
Zudem soll das Vermummungsverbot entschärft werden. Bislang ist Verhüllung auch auf dem Weg zur Demo verboten. Nach Brieses Vorstellungen soll die Vermummung bei Demonstrationen künftig keine Straftat mehr sein, sondern eine Ordnungswidrigkeit, bei der bis zu 1.000 Euro fällig werden können. Zudem will er im Gesetz festschreiben, dass für spontane Versammlungen keine Anmeldung mehr notwendig ist. Davon könnten zwar auch rechtsextreme Gruppen profitieren. „Grundrechte gelten aber“, sagte Briese, „auch für die Durchgeschüsselten und die Doofen.“ KAI SCHÖNEBERG