ärztestreik : Dicke Schlappe
Da haben die Herren den Mund wohl zu voll genommen. In den nächsten fünf Wochen würden täglich tausend Arztpraxen der Stadt geschlossen bleiben, haben die Funktionäre der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) und der Facharztverbände im Brustton der Überzeugung angedroht. Dass sich dafür neben den Fachärzten auch alle Haus- und Kinderärzte der Stadt nach und nach an den Protesten beteiligen müssen, hat sie nicht geschreckt. Und das, obwohl die Verbände der Allgemeinmediziner und der Kinderärzte gar nicht zum Streik aufgerufen haben. Wenn es um die eigenen Pfründen geht, wird eben hoch gepokert.
Kommentar von SABINE AM ORDE
Doch die Herren wurden gestern eines Besseren belehrt. Zwar liegen noch keine genauen Zahlen vor, doch klar ist schon jetzt: Die Medizinerproteste sind mehr als schleppend angelaufen. Ob nun das Pflichtgefühl gegenüber den Patienten, die Angst vor Sanktionen und finanziellen Konsequenzen oder das Unverständnis für die eigenen Verbandschefs der Grund für die Protestresistenz der Mediziner ist, darüber kann nur spekuliert werden.
Zu hoffen aber bleibt, dass die niedergelassenen Ärzte schlicht vernünftiger sind als ihre Funktionäre. Dass sie einsehen, dass die Totalblockade gegen die Reformvorschläge der Bundesregierung das Gesundheitswesen nur weiter in den Abgrund treibt; dass die Ärzte ihren Teil zur Rettung des solidarischen Systems beitragen müssen; und dass die KV Teil des Problems, nicht Teil der Lösung ist.
Vielleicht aber erweist sich die Schlappe selbst für die Funktionäre als glückliche Fügung. Denn was wäre ein besserer Beweis für die ärztliche Überversorgung der Stadt als tausend geschlossene Praxen und kein Chaos weit und breit?