heute ein peacenick, morgen ein krieger von WIGLAF DROSTE
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Ich stehe nicht auf, um die Welt zu retten, und wer es tut, ist mir zuwider. Einer, der die Welt mit buchstäblich allen Mitteln und um jeden Preis verbessern und retten will, heißt George W. Bush. Er ähnelt ein wenig dem Klonschaf Dolly; seine Aura ist eine Mischung aus Künstlichkeit, Schlichtheit und Bibeltreue.

Darin sind ihm viele seiner Gegner ähnlicher, als ihnen lieb sein kann. Auch sie möchten die Welt im ganzheitlichen Aufwasch heilen; unter der Rettung der ganzen Welt treten sie erst gar nicht an. „Eine andere Welt ist möglich!“, rufen sie in unablässiger Selbstbeschwatzung, um sich und die anderen Kinder bei der Stange zu halten. Das psychosoziale Motivationsgebrabbel hat starke gläubische und gehirnwäscherische Züge. Wie George W. Bush ergehen sich viele seiner Gegner in der inbrünstigen Repetition des Immergleichen.

So richtig fürchterlich wird es, wenn sie sich und das, was sie „ihre Widerstandsformen“ nennen, für „fantasievoll“ halten. Dann hoppeln sie wie Karnevalsidioten verkleidet durch die Straßen und wecken die Sehnsucht nach der Gnade temporärer Blindheit. Weil die sich aber nicht einstellen will, muss man Transparente mit Botschaften lesen, die, genau wie ihre Verkündiger, langweilig, suspekt oder beides sind. Die Parole „Kein Blut für Öl“ führt direkt zur Frage: Wofür denn dann? Wofür soll man den Finger krumm machen, also schießen? Für welches höhere Kriegsziel dürfen andere krepieren? Für eine bessere Welt, unter Vorsitz von Horst-Eberhard Friedensrichter, der in der Anti-Kriegs-Beilage „resist“ mitteilt, dass er schon „viele Bestseller“ geschrieben hat?

Entschieden gegen den Krieg zu sein heißt nicht, dass man herumlaufen und reden muss wie ein Trottel. Ebenso achtet, wer auf sich hält, auf größtmöglichen Abstand zu den Modepazifisten, die gerade das Land mit Gratismut und großer Klappe überziehen. „Krieg? Wir sagen nein!“ heißt „ein gemeinsames Plädoyer deutscher Stadtmagazine gegen einen Angriff auf den Irak“. Die Mischung aus Heuchelei und Selbstüberschätzung ist bemerkenswert. In den Kriegen gegen Jugoslawien und Afghanistan war von „Weltinnenpolitik“ die Rede, und Kriegsgegner wurden als balla-balla oder gemeingefährlich denunziert; nun, mit einer großen Umfragemehrheit im Rücken, verlangt man markig ein „konsequentes Nein“ zum Krieg. Welche lustige Forderung wird man lesen, wenn die Leser und die Anzeigenkunden wankelmütig werden? Heute ein Peacenick, morgen ein Krieger, Hauptsache immer auf der Seite der Sieger?

Krieg setzt viel Ekelhaftes frei; unter anderem gibt er vielen notorisch Zukurzgekommenen die hochwillkommene Gelegenheit, hysterisch die Futterluken aufzureißen und im Chor zu brüllen – für den Krieg oder dagegen, je nachdem. Vom Bedürfnis, die Welt retten zu wollen, lassen sich ausnahmslos Menschen ergreifen, die in ihrem Leben nichts Erfreuliches gebacken bekommen, geschweige denn einen klaren Satz – ganz gleich, ob es sich dabei um einen amerikanischen Präsidenten oder einen deutschen Journalisten handelt.