: Tschüs, Herr Kaiser!
Ergo-Versicherungsgruppe will bei der Hamburg-Mannheimer und weiteren in Hamburg ansässigen Unternehmen hunderte Stellen streichen. Der Betriebsrat macht gegen die drohende Kündigungswelle mobil und trifft sich heute mit der Konzernspitze
Die Ergo ist mit einem Volumen von über 17 Milliarden Euro Beitragseinnahmen nach der Allianz SE die zweitgrößte deutsche Versicherungsgruppe und eine der größten in Europa. Zu dem Unternehmen, das zu fast 95 Prozent von der Münchner Rück gehalten wird, gehören unter anderem die Hamburg-Mannheimer, die Viktoria, die DKV-Krankenversicherung, der DAS-Rechtsschutz und die Karstadt-Quelle-Versicherungen. Weltweit beschäftigt der Düsseldorfer Konzern 50.000 Mitarbeiter. Von den rund 20.000 in Deutschland beschäftigten Mitarbeitern sind mehr als 3.200 in Hamburg tätig, knapp drei Viertel davon bei der Hamburg-Mannheimer. Das Unternehmen rechnet nach dem Zusammenbruch der Kapitalmärkte für 2008 mit einem Gewinn von 320 bis 380 Millionen Euro – zuvor waren bis zu 600 Millionen prognostiziert worden. Für das Jahr 2012 wird ein Gewinn von rund 900 Millionen Euro angestrebt. MAC
VON MARCO CARINI
Herrn Kaiser ist das Lachen vergangen. Dem telegenen Außendienstmitarbeiter der Hamburg-Mannheimer, Idealtyp des freundlichen Versicherungsvertreters, droht die Arbeitslosigkeit. Der Grund: Die Konzernmutter Ergo will in ihren diversen Unternehmen bis 2010 fast 2.000 der bundesweit 20.000 Stellen einsparen, um die Rendite zu steigern. Betroffen sind in Hamburg neben der Hamburg Mannheimer (rund 2.400 Mitarbeiter) auch die Victoria Krankenversicherung (500 Mitarbeiter) und die Itergo GmbH (etwa 300 Mitarbeiter), der zentrale IT-Dienstleister der Ergo-Versicherungsgruppe.
Laut Ergo-Betriebsrat müssen „mehrere hundert“ Hamburger Ergo-Mitarbeiter um ihren Job fürchten. Betroffen seien voraussichtlich vor allem die Bereiche Außendienst und Service. Düstere Aussichten für Herrn Kaiser und seine Kollegen. Zudem plant das Unternehmen nach Informationen der taz, aufgrund einer konzerninternen Umstrukturierung einer noch unbekannten Zahl von Mitarbeitern des Hamburger Standorts einen Umzug nach Düsseldorf „nahezulegen“, wo sich die Ergo-Konzernzentrale befindet.
In einer gemeinsamen Resolution beklagen die rund 150 Betriebsräte der verschiedenen Ergo-Unternehmen, die Versicherungen der Ergo-Gruppe zeichneten sich schon ohne den geplanten Personalabbau vielfach durch „mangelnden Service und fehlende Ansprechpartner“ negativ aus. Denn in den vergangenen Jahren habe der Ergo-Konzern bundesweit bereits mehr als 1.000 Arbeitsplätze abgebaut. Während allein in diesem Jahr rund eine Milliarde Euro Dividende an den Hauptaktionär der Ergo, die Münchner Rück, ausgeschüttet wurden, müssten nun tausende Mitarbeiter um ihren Job fürchten.
Am heutigen Donnerstag trifft sich die Ergo-Spitze erstmals mit dem Gesamtbetriebsrat, um über die von ihr angestrebte Streichung von 1.570 besetzten und 360 derzeit unbesetzten Stellen zu sprechen. Der Betriebsrat sieht sich unter einem „unangemessenen Verhandlungsdruck“ und fordert eine „ergebnisoffene Diskussion sowohl über „das Volumen der Einsparungen als auch der Zeiträume der Umsetzung“. Zudem beklagen die Betriebsräte in ihrer gemeinsamen Resolution, dass „sich unsere Belegschaft von ihren Vorständen unverstanden und in ihren Interessen weitestgehend ignoriert“ fühle.
In der Düsseldorfer Ergo-Zentrale hüllt man sich noch darüber in Schweigen, wie viele Arbeitsplätze in Hamburg abgebaut werden sollen. „Die geplanten Personaleinsparungen sind noch nicht nach Unternehmen aufgefächert“, sagt die Konzern-Sprecherin Petra Wahedi. Zunächst müssten „die Beschlüsse des Vorstandes mit den Mitbestimmungsgremien verhandelt“ werden.
Klar aber sei, so Wahedi, „dass alle Ergo-Versicherungsunternehmen in Deutschland“ von den Stellenstreichungen betroffen seien, die Hamburger Standorte also nicht ausgespart blieben. „Voraussichtlich bis Ende des Jahres“ könne die Konzernleitung mitteilen, welche Unternehmen in welcher Größenordnung von dem Personalabbau betroffen seien. Insgesamt rechnen die Ergo-Manager mit einem Einsparvolumen von 180 Millionen Euro jährlich durch die jetzt geplante „Mitarbeiterfreisetzung.“
Hamburgs Ver.di-Chef Wolfgang Rose kritisierte auf Anfrage der der taz, dass hier „ein Unternehmen nur auf immer höhere Renditen schielt und keinerlei Verantwortung für die Mitarbeiter übernimmt, die es aufgebaut haben“. Die gewerkschaftspolitische Sprecherin der Hamburger Linkspartei-Fraktion, Kersten Artus, ergänzt, dass die Münchner Rück, die 94,7 Prozent der Ergo-Anteile hält, „trotz schwieriger Zeiten auf den Finanzmärkten Gewinne in Milliardenhöhe“ erwirtschafte und angekündigt habe, „bis 2010 über acht Milliarden Euro an die Aktionäre“ auszuschütten.
Erwirtschaftet würden diese Gewinne, „von denjenigen, deren Arbeitsplätze nun geopfert werden sollen.“ Artus: „Gegen Hartz IV und Langzeitarbeitslosigkeit gibt es kein Versicherungsangebot der Münchner Rück“.