: Mr. Rumsfeld ist Eierstich-Fan
Die Wurzeln des amerikanischen Verteidigungsministers liegen – logisch – im alten Europa. Das Interesse an seinen Ahnen führte ihn 1972 in einem kleinen VW nach Sudweyhe
taz ■ „Tuut-tuut-tuut“ – „Rrrummsfeld?“ Am Telefon ist Frau Rumsfeld, aber nicht die aus Amerika, sondern die aus Sudweyhe. Hier hat der US-amerikanische Verteidigungsminister nämlich Verwandte. Deswegen klingelt bei der Familie aus der Nähe von Bremen ständig das Telefon. Aber Margarete Rumsfeld hat keine Zeit, sie will jetzt ihren „Krimi auf`m Zweiten“ gucken – „Der Alte“ kommt. Die Dame ist 85, verwitwet und hat langjährige Erfahrung mit der Presse. Ob Spiegel oder Bild, immer wenn Donald Rumsfeld von sich reden macht, kommen die Reporter auch bei ihr vorbei. „Aber jetzt ist Schluss“, sagt sie, nachdem das Team von Spiegel TV letzten Samstag den Hof der Familie stürmte.
Der Urururgroßvater Rumsfeld war 1866 mit seinen sechs Kindern von Sudweyhe in die USA ausgewandert, sein zweiter Sohn Hermann ist Donalds Urgroßvater. Beide Familienlinien betrieben Ahnenforschung und so kam es, dass Mr. Donald Rumsfeld an einem Sommertag, es war ein Montag, im Jahre 1972 mit einem geliehenen VW Käfer vor dem Haus in Sudweyhe stand. „Da kommt gleich ein Mann aus Amerika zu euch“, hatte eine Freundin bei der Gemeinde die Familie vorgewarnt.
Hier erkundigte sich der heutige Verteidigungsminister nach dem Wohnort von Margarete und Diedrich Rumsfeld. Wie ein Tourist gekleidet, mit offenem, legerem Hemd und karierter Hose stand er vor der Familie, erinnert sich die Frau, die von ihrem berühmten Verwandten bis dahin nichts wusste. „Wir haben uns mit Händen und Füßen verständigt“, sagt Frau Rumsfeld, die natürlich kein Englisch spricht. Am Tag vor dem hohen Besuch kam sie gerade aus dem Urlaub in ihrer Heimat Dänemark zurück. „Ich hab ihm erstmal einen Kaffee gekocht und dänische Schnittchen gemacht. So was kennen die ja da drüben nicht.“
Immer nett und freundlich sei er gewesen. Hätte ganz viel gelacht, der „hübsche und charmante“ Donald. Dreimal insgesamt besuchte er das alte Europa. Brachte dann seine Mutter, Frau und Kinder mit und trug einen Anzug. Er guckte sich die Kirche und den Friedhof an - hier liegt auch sein Opa. „Das musste alles ganz geheim gehalten werden. Das durfte man niemandem erzählen.“
Immerhin war Donald schon damals Nato-Botschafter in Brüssel. Zu Ehren der amerikanischen Besucher hatte die Sudweyherin eine typisches Sudweyher Menü bereitet. Hochzeitssuppe mit ganz viel frischem Eierstich und Schweinebraten mit Gemüse servierten ihre drei Töchter. „Das hat ihm gut geschmeckt“, ist sich die Köchin sicher. Schließlich hat er ihr eine Zigarettendose aus Kristall geschenkt, in die eingraviert wurde: „Für die freundliche Aufnahme und das gute Essen.“
Außerdem gab es einen Füllfederhalter und einen Orden des Pentagons für den Mann des Hauses. Der amerikanische Politiker nahm ein gerahmtes Bild von Sudweyhe, der Heimat seiner Vorfahren, mit in die USA. Ins Gästebuch der Familie schrieb er: „Ich hoffe wir sehen uns nochmal wieder.“ Doch das hat bisher nicht geklappt. Mit dem Tod ihres Mannes brach der Kontakt 1986 ab. „Der hat ja gar keine Zeit mehr“, weiß Frau Rumsfeld. Ab und zu gibt es noch eine Karte. „Er hat uns noch nicht vergessen, hat er geschrieben“, erzählt sie.
Fragt man die alte Dame nach der Politik ihres Verwandten, wird sie energischer: „Von Kriegstreiberei halte ich garnichts.“ Sie hat beide Kriege mit erlebt und „die Schnauze voll davon“. Aber mit Politik will sie nichts zu tun haben, das sei ein schmutziges Geschäft. „Bloß keinen Krieg“, sagt sie und fügt hinzu, dass sie nichts für die Politik des Verwandten könne.
„Er ist ein Typ wie mein Mann: ganz energisch.“ Das seien die Gene, glaubt Frau Rumsfeld, und das sehe man auch. Die Nase ihres Mannes sei genauso spitz gewesen, wie die vom Verteidigungsminister heute noch ist – und auch die Haare wären ganz ähnlich. Trotzdem: Am Krieg „können wir ja gar nichts machen.“
Laura Ewert