vom mittwoch von FRANK SCHÄFER
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Der Mittwoch ist der Rolliträger unter den Wochentagen. Existentialism day! Am Mittwoch wird der Mensch der Sinnlosigkeit seines Murkelns ganz inne. An einem Mittwoch beispielsweise hat Sisyphos erstmals die Bergkuppe erklommen und erkennen müssen, dass es runter zwar leichter geht, aber kein Nektar des Trostes aus diesem Umstand zu saugen ist.

Meine Stimmung jedenfalls kann die lebenslustige Sprechstundenhilfe mit ihrem ranschmeißerischen „noch zwei Tage bis Wochenende“ nicht verzuckern, während ich auf dem Behandlungsstuhl sitze und von meiner Zahnärztin den Satz hören muss: „Ach, es ist ja nur ein kleines Loch, das machen wir heute mal ohne Spritze!“ Überhaupt hat es mich immer irritiert, dass diese Hydrauliksessel mit leicht abwaschbarem Plastik bespannt sind. Warum denn kein Breitcord? Meinen Einwand, ich sei … – ähm, Künstler, dementsprechend bis zur Memmenhaftigkeit sensibel, wischt sie mit einem lächelnden Kopfnicken beiseite. Es muss der weiße Kittel sein! Oder diese gepflegten, grazil gewirkten Frauenhände!

Ich öffne den Mund. Und sie bohrt. Ohne Spritze. Ich bin wieder zwölf und habe so einen verdammten Schiss, wie damals, als ich zum Rektor musste, weil ich einem anderen Jungen mit dem Feuerlöscher …, aber lassen wir das, denn schon sagt sie diese Worte, die sich warm in meinem Unterbauch ausbreiten: „Fertich is die Laube! Jetzt muss ich nur noch wieder zumachen.“ Ich liebe diese wundervolle Frau unsterblich.

Aber der Mittwoch ist noch nicht vorbei. Eine andere wildfremde Frau ruft mich ein paar Stunden später an und will „vorbeischauen“, um mich auf eventuelle Steuerersparnisse hinzuweisen. Eigentlich nett von ihr, wenn es etwas zu versteuern gäbe. Nur hat kurz vorher ein befreundeter Kollege seinen monatlichen Telefonüberfall getätigt und mir eine gute Stunde Geschichten aus seinem Abenteurerleben erzählt, meine Geduld ist also nur noch ein dünnes, splissgeschädigtes Althippie-Haar und nicht wie sonst üblicherweise das dicke, gewachste Seemannstau, das auf der „Gorch Fock“ Verwendung findet. Aber bevor ich irgendetwas Ruppiges entgegnen kann, kommt mir die Stimme plötzlich bekannt vor. Ist das nicht die Exfreundin, die ich immer mal zurückrufen wollte, weil man sich ja damals versichert hatte, befreundet bleiben zu können? Ich bin verwirrt. „Hallo, hallo?“, fragt die Steuerfachfrau unsicher. „Ja, ich bin noch dran, aber eigentlich … – nicht interessiert.“ Oder vielleicht doch? Nein, wenn das wirklich meine Ex war, drohte nur wieder Ungemach.

„Ach sooo.“ Sie muss neu im Telefondrückergeschäft sein, denn ihre Enttäuschung ist ihr deutlich anzuhören: „Dann wünsche ich ihnen aber trotzdem einen schönen Tag.“

Und tschüss! Aber warum eigentlich „trotzdem“? Offenbar weil sie insinuieren will, dass es jetzt einfach kein schöner Tag mehr werden könne, nachdem ich sie zurückgewiesen habe. Oder weil sie auf ihrem Garfield-Tischkalender gesehen hat, dass heute Mittwoch ist!