: Echte Chance für Schwarz-Grün
Koalitionsverhandlungen in Wien sollen in der kommenden Woche beginnen. FPÖ-Landeshauptmann Jörg Haider fürchtet bereits um Gelder für Kärnten
WIEN taz ■ Die erste nationale schwarz-grüne Regierung, bis vor kurzem nicht mehr als eine realitätsfremde Spielvariante, scheint in Österreich echte Chancen zu haben. Zumindest Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und Grünen wird es geben.
Eine wichtige Hürde nahmen die Grünen am Mittwoch, als der Erweiterte Bundesvorstand Parteichef Alexander Van der Bellen mit 21 zu 8 Stimmen grünes Licht gab. Die Landesparteien Wien, Burgenland und Vorarlberg, aber auch Sozialsprecher Karl Öllinger blieben skeptisch.
Die ÖVP traf ihre positive Entscheidung nach einem gestrigen Treffen mit den Grünen. Die stellen zwar keine Vorbedingungen für Koalitionsgespräche, doch gehen sie in einer Erklärung davon aus, dass die ÖVP als Partei der Mitte verhandle, „auf der Grundlage des christdemokratischen und sozialen Programms und nicht auf der Basis des schwarz-blauen Wendeprojekts“.
Bisher hat Bundeskanzler Wolfgang Schüssel aber den Eindruck vermittelt, er wolle das mit der FPÖ begonnene Projekt fortsetzen. Annäherungen soll es aber bei der Pensionsreform sowie hinsichtlich einer ökosozialen Steuerreform gegeben haben. Die ÖVP führt eine solche seit 1989 im Parteiprogramm und hatte sie einst unter ihrem damaligen Landwirtschaftsminister Josef Riegler angepeilt, aber unter dem Druck der Wirtschafts- und Autofahrerlobbys zurückgestellt. In der Zuwanderungs-, Frauen- und Sozialpolitik seien noch große Distanzen zu überwinden, erklärten grüne Politiker nach der Marathonsitzung. Die ÖVP-Granden äußersten sich vorsichtig optimistisch.
Dass es wirklich ernst werden könnte, zeigen die Reaktionen der von Schüssel verschmähten Parteien. Jörg Haider zeterte, es würde für Kärnten kein Geld mehr geben und Schwarz-Grün würde die Aufstellung „unzähliger zweisprachiger Ortstafeln“ in den Gemeinden mit slowenischer Minderheit beschließen. SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures ließ wissen, die ÖVP sei offenbar zu einer großen Reformkoalition nicht bereit und suche einen „billigen Mehrheitsbeschaffer“. Unter den Koalitionsvarianten rangiert laut Gallup die schwarz-grüne mit 13 Prozent Zustimmung nur mehr knapp hinter Schwarz-Blau (14). Allerdings unterstützen 60 Prozent der Grün-Wähler das Wagnis. RALF LEONHARD
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