kulturhauptstadt im kasten
: Die Debatte zur Bewerbung: Katrin Rabus, Galeristin

Kreative konsequent ausgegrenzt

Bremen bewirbt sich als Kulturhauptstadt 2010. Aber wie? In unserer Serie beziehen Kulturschaffende, Mäzene und Entscheidungsträger Position. Heute: Katrin Rabus,Galeristin

Bremen hat eine Vision: Kulturhauptstadt Europas 2010. Bremen hat auch eine aktive Kulturszene mit einer beachtlichen Mischung von regionalen wie überregionalen Künstlern und Einrichtungen. Selbstbewusst und solidarisch, chronisch unterfinanziert, ständigen Kürzungswellen trotzend, mit hohen Sympathiewerten in der Bevölkerung, Partnern in allen gesellschaftlichen Bereichen. Eigentlich ein Pfund zum Wuchern, um das uns die Mitbewerber zu Recht beneiden. Diese Szene als Erneuerungspotenzial zu nutzen, um etwa soziale und kulturelle Defizite auszugleichen, darin bestünde die Chance einer angemessenen Bewerbung jenseits von Glanz und Gloria. Schwerpunkte könnten dabei sein: die Teilhabe an Kultur oder auch das Verhältnis von Medien und Kultur.

Doch was geschieht? Innerhalb von sechs Wochen ist es Politik und Verwaltung gelungen, diese lebendige, kritische Szene ratz-fatz aus allen Überlegungen zum Bewerbungskonzept herauszuhalten und für andere Ziele zu instrumentalisieren. An den Kreativen vorbei wird ein an Haushaltssanierung, touristischem Stadtmarketing, Wissenschaft und bedenklichen Grenzgängen zur Freizeitkultur orientiertes Konzept Grundlage des Senatsbeschlusses, das in dieser Form mit Sicherheit nicht den Brüsseler Kriterien entspricht. Kultur ist Mittel zum durchsichtigen Zweck, letzter Trumpf der Regierung, um vom Scheitern eigener Großprojekte abzulenken. Marketingstrategien, für die Staatsräte formuliert, ersetzen nicht die von der EU geforderte kulturelle Kreativität – erster Fehler.

Alle reden vom neuen Kulturbegriff, aber Künstler und Kulturleute schweigen. Sie wissen, dass in Bremen ein erweiterter Kulturbegriff seit Jahren gelebt wird. Wozu dieser neue Begriff, der die Entwicklung der Stadt zum Hightechstandort stützt? Offenbar will der Senat unter dem Schlagwort Kulturhauptstadt Gelder in den Wissenschaftsbereich lenken, ihm das Monopol für Innovation zusprechen. Gemäß der EU-Kriterien soll aber ausdrücklich die Innovation im Kunstbereich gefördert werden. Von Wissenschaft ist dort keine Rede – zweiter Fehler.

Vorläufiger Schlusspunkt der Ausgrenzung des Kulturbereichs: die offizielle Auftaktveranstaltung am 31. Januar im Rathaus: für die, leider nicht mit der Kulturszene. Bestellte Grußadressen von Handelskammer und Universität – gab es je Solidarität der Hochschulen beim Kampf der Kultur gegen Unterfinanzierung? – treffen auf eine irritiert schweigende Kulturszene. Keiner ihrer Vertreter war vom Senator um einen Beitrag gebeten worden. Fürchtete man kritische Bemerkungen oder gar die Undankbarkeit der Szene? Der zweistündige „Dialog“ mit dem Bürger ersetzt nicht die Beteiligung derjenigen, die im Zentrum stehen sollten und ihre Begeisterung in weite Kreise tragen könnten – dritter Fehler.

Das Projekt ist nun da angekommen, wo alle Projekte in Bremen landen: bei einer vom Wirtschaftssenator und der Staatsräterunde beaufsichtigten GmbH, jenseits von Transparenz und Bürgerbeteiligung. Neue Fördertöpfe locken, Referenzprojekte, in nichtöffentlicher Runde verhandelt, spalten die Kulturszene. Instrumentalisierung der Idee auch seitens der Kulturszene – vierter Fehler.

Wie diese Fehler korrigieren? Ein künstlerischer Intendant muss schnellstens gefunden und mit weitreichenden Kompetenzen ausgestattet werden. Er muss sich an den EU-Kriterien orientieren und sie öffentlich vermitteln. Alle Interessierten müssten in begrenztem Zeitraum die Möglichkeit haben, ihm Ideen für die Bewerbung vorzustellen. Auswahl und Koordinierung sollte dem Intendanten und einem fachlich kompetenten Beraterkreis überlassen werden. Wirtschaftsförderung und Standortmarketing sind den kulturellen Vorgaben unterzuordnen. Nicht umgekehrt. Katrin Rabus