: Das Sexleben der Eintagsfliege
Witze erzählt der 28-jährige Kabarettist Kurt Krömer keine, denn er glaubt: „Ick bin der Witz.“ Dafür glänzt er auf der Bühne mit dem aggressiven Charme eines Hausmeisters und bewegten Geschichten aus seiner Neuköllner Nachbarschaft. Ein Porträt
von JANA SITTNICK
Kurt Krömer mag keine Witze erzählen. Die Pointen verpuffen zu schnell, meint er, und man muss ständig nachlegen, um die Spannung zu halten. Schlimmer noch: Der Witzeerzähler wird austauschbar, tritt hinter den Witzen zurück. Kurt Krömer aber will vorn sein, einmalig, prägnant, unverwechselbar. „Ick erzähl keine Witze“, sagt er, „ick bin der Witz.“
Auf der Bühne erscheint der lebende Witz Krömer wie jemand, der früher auf dem Schulhof verkloppt wurde: Blass und schmal im Präsent-20-Anzug, mit schlecht sitzendem Sakko und zu kurzer Hose, Streberfrisur mit Seitenscheitel, und auf der Nase ein Kassengestell, das nicht einmal Mediendesignstudenten tragen würden. Der 28-jährige Neuköllner sieht also aus wie ein Horst, ein Umstand, der ihm Lacher einbringt, noch bevor er mit seiner Darbietung begonnen hat. Er gibt den Hardcore-Conferencier, der nicht um sein Publikum herumcharmiert, sondern es mit Geschichten aus seinem bewegten Leben füttert, etwa, wie er sich von seinem Fernseher trennt, wie er bei Karstadt am Hermannplatz neue „Schlüpper“ kauft oder wie er nachts um drei in Hohenschönhausen mit einem „Ausländer-sind-meine-Freunde“-T-Shirt einer Gruppe Skins in die Arme läuft.
Krömer nimmt den Mund gehörig voll: Mit Berliner Schnauze pöbelt er ins Publikum – „is’n mit dir los, kommst du aus’n Heim oda watt?“, fragt, wenn jemand hustet, gereizt, ob er hier eigentlich stört, ob er nach Hause gehen soll und die Herrschaften alleine weitermachen wollen. Die natural born Komikperformance ist „live“ und „interaktiv“, Krömer duelliert sich mit Zwischenrufern, verändert spontan seine Nummern, hat kein festes Timing. „Ick mach Entertainment“, sagt er, „die Leute sollen sich unterhalten fühlen und merken, dass hier jetzt gerade was passiert, zwischen ihnen und mir, und dass das jeden Abend anders ist.“ Jahrelang tingelte Kurt Krömer durch deutsche Städte, mit seinem C&A-Outfit, den Storys aus der „Nachbarschaft“, dem aggressiven Hausmeistercharme. Er spielte in leeren Sälen vor fünf, sechs Leuten oder in Bierzelten und auf Straßenfesten. „Krasse Momente“ hätte er da erlebt, mit Leuten, die nicht wegen ihm gekommen sind, sondern wegen dem Freibier, die ihr Bier auch mal auf die Bühne geschüttet haben oder ihm das Mikro wegnehmen wollten. Krömer hat trotzdem weitergemacht. Er wollte eben Komiker werden. „Du fängst nicht Montag an und bist Mittwoch in der Clique drin“, resümiert er. Heute gehört er dazu. Er kann von seinen Auftritten leben, hat regelmäßig im Comedy Club Kookaburra den „Kitsch und Kacke Club“ mit Otto Kuhnle, darf bei Thomas Hermanns’ „Quatsch Comedy Club“ moderieren und eine eigene Showreihe präsentieren, wird ins Fernsehen geladen, zur RTL-Show „Sieben Tage, sieben Köpfe“ und zu Stefan Raab. Bei Raab allerdings wollte er sich nicht verheizen lassen. „Ich habe vorgeschlagen, dass ich mit zwanzig Punks komme, wir im Studio Dosenbier trinken und unsere Party machen“, meint Krömer. Das fand der Kollege dann doch nicht so toll, und Krömer blieb in Neukölln. Kurt Krömer war nicht immer lustig. Sein erster Auftritt vor elf Jahren in der Scheinbar geriet zur Katastrophe. „Damals wusste ich überhaupt nicht, wie Humor funktioniert“, gibt er zu, „da dachte ich, blöd auszusehen, reicht.“
Auf der einzigen offenen Bühne der Stadt mimte er den Typen aus der Nachbarschaft, der „einfach nur blöd aussah und sonst nichts“. Niemand lachte, Krömer brach nach drei Minuten ab. An seinem Traum, Komiker zu werden, hielt er trotzdem fest. Tagsüber jobbte er als Hilfsarbeiter auf dem Bau und abends versuchte er, komisch zu sein. In der Scheinbar in Schöneberg hatte er eine Chance. „Da konnte jeder auf die Bühne.“ Noch heute ist die kleine Varieté-Bar mit fünfzig Sitzplätzen Krömers Spielwiese, auf der er neue Gags und Geschichten probt. Wenn sie dort funktionieren, macht er sie für seine Soloprogramme fest. Im Theater an der Schönhauser, einer Hinterhofbude im vierten Stock, improvisierte Kurt Krömer die Geschichte von der Eintagsfliege, die viel Sex hat, weil sie ja nur einen Tag lebt, aber auch nehmen muss, was kommt. Das gefiel, und er kam jedes Wochenende zum Auftritt in den Prenzlauer Berg. „Meine erste Gage betrug 11,50 Mark“, erinnert er sich, „das war ganz gut, im Vergleich zum Bau: Da bekam ich acht Mark die Stunde, und hier elf fünfzig für acht Minuten.“
Mit der „Eintagsfliege“ gewann Kurt Krömer im letzten Jahr den Zuschauerpreis beim Festival der „Wühlmäuse“, dem von Dieter Hallervorden geführten Kabarett. Ein Ritterschlag der Alten Schule, der Krömer stolz macht. Der „Junge aus der Nachbarschaft“ hat sein Publikum gefunden.
Kurt Krömer präsentiert den Kitsch und Kacke Club heute um 20 Uhr im Comedy Club Kookaburra in der Schönhauser Allee 184, Prenzlauer Berg. Das nächste Krömer-Programm im Quatsch Comedy Club, Friedrichstraße 107, Mitte gibt es am 2. 3. ab 20 Uhr