: „Geld ist nicht vergeudet“
NOK-Präsident Dr. Klaus Steinbach glaubt fest an die deutschen Chancen, Olympia 2012 ausrichten zu dürfen. Sollte es anders kommen, fordert er schon jetzt einen langen Atem ein – für 2016
Interview FRANK KETTERER
taz: Herr Dr. Steinbach, das Motto, unter dem das NOK am 12. April die deutsche Bewerberstadt für Olympia 2012 küren wird, lautet „Olympia tut Deutschland gut“. Was tut so gut an Olympia?
Klaus Steinbach: Die Tatsache, dass Deutschland sich für das größte Sportereignis der Welt bewirbt, hat vor allem in den Städten und Regionen, die sich bewerben, für positive Resonanz in Politik, Gesellschaft und auch in der Wirtschaft gesorgt. Das sind wichtige positive Impulse, und das in einer Zeit, in der positive Impulse eher selten sind. Zudem weiß man von vielen Beispielen, dass die Ausrichtung von Olympischen Spielen der Stadt, der Region und den Menschen, die sie ausrichten, weiterhilft. So wird das auch in Deutschland sein. Und deshalb tut Olympia Deutschland gut.
In welcher deutschen Stadt werden die Olympischen Spiele 2012 denn stattfinden?
Da bin ich so schlau wie Sie: Das wüsste ich auch gerne.
Sie glauben wirklich, dass eine deutsche Bewerbung Chancen hat?
Ja, das glaube ich. Ohne Zweifel.
Dennoch hält sich das Gerücht, dass ein Land mit seiner Bewerbung erst beim zweiten Mal berücksichtigt wird und auch Deutschland sich für die Spiele 2012 nur bewerbe, um 2016 bessere Karten zu haben.
Nein. Unsere Überlegungen sind ganz gezielt auf 2012 gerichtet.
IOC-Vizepräsident Thomas Bach hat dennoch bereits angemahnt, auch eine Niederlage bei der Entscheidung durch das IOC im Jahr 2005 dürfe nicht als Entmutigung wirken, sondern ein erneuter Anlauf müsse folgen. Ist eine deutsche Bewebung für 2016 also schon beschlossene Sache?
Beschlossene Sache insofern, dass wir mit allen Städten im Vorfeld gesprochen haben und alle Städte wissen, dass es sehr schwierig wird, unser Ziel im ersten Anlauf zu erreichen. Wir glauben dennoch, dass wir das können, würden aber auch den Atem haben für einen zweiten Anlauf. Ziel muss aber auf jeden Fall sein, dass wir die Bewerbung für 2012 so gut wie möglich hinkriegen. Denn ein gutes Abschneiden, auch wenn es am Ende ohne Zuschlag bleibt, ist eine hervorragende Voraussetzung für einen zweiten Anlauf.
Was muss eine deutsche Stadt mitbringen, um international Chancen zu haben?
Ganz wichtig ist die Nachvollziehbarkeit des gesamten Konzepts. Und es muss getragen werden von der Bevölkerung. Außerdem sollte es gewisse Alleinstellungsmerkmale haben, die besonders in der Konkurrenz mit anderen Bewerberstädten wie New York oder Madrid von großer Bedeutung sind.
Wie stellen Sie fest, ob eine Stadt darüber verfügt?
Wir haben eine Evaluierungskommission ins Leben gerufen, die am 13. März ihren Bericht vorstellen wird. Das ist ein Gutachten, mit dem sich elf Experten sehr viel Arbeit gemacht haben.
Nach welchen Kriterien wird evaluiert?
Es geht da unter anderem um die Beurteilung der Infrastruktur, der Beherbergung, um das Konzept des olympischen Dorfes, um die Sportstätten, den Transport, um Umweltaspekte, die Finanzierung, aber auch um Fragen des Klimas, des geografischen Umfelds sowie der Beschäftigfungssituation einer Region. Wobei die Kriterien eine unterschiedliche Gewichtung haben. Das Thema Sicherheit wird beispielsweise anders bewertet als das Thema Kultur.
Und am 13. März gibt es dafür Noten, ein Zwischenzeugnis.
Nein. Das ist kein Zwischenzeugnis. Das ist einfach der Bericht der Evaluierungskommission.
Und die Vorentscheidung.
Nein, da fällt keine Vorentscheidung, sondern es ist ein Baustein auf dem Weg zur richtigen Entscheidung. Der Evaluierungsbericht gibt keine verpflichtende Vorgabe, sondern er ist das Ergebnis eines langwierigen, konstruktiven Prozesses, der am Ende eine Bewertung abgibt. Aber es ist nur ein Teil, quasi die Kopfargumente. Hinzu kommt dann am 12. April, am Tag der Entscheidung, die Präsentation der Bewerberstädte, mit einem Film, mit einem Wortbeitrag und ähnlichem. Das ist dann eher für den Bauch. Und am Ende muss jeder, der wählt, seine Entscheidung nach der wichtigsten Überlegung treffen: Welche Stadt hat unter Berücksichtigung aller Informationen und Eindrücke und Gefühle die größte Chance auf internationaler Ebene?
Sie haben die Städte mehrfach zu Fairplay aufgefordert und vor einer Selbstzerfleischung gewarnt. Befürchten Sie auf der Zielgeraden eine Schlammschlacht?
Ich befürchte das nicht. Nur: Wir sind alle Menschen, und alle, die sich um Olympia bewerben, geben ihr Bestes und wollen gewinnen. Wir, die wir am Ende wählen, sind da so etwas wie Punktrichter beim Eiskunstlaufen – und manchmal ist es eben schwer, eine bestimmte Punktrichterentscheidung zu akzeptieren, gerade wenn man zuvor alles für den Sieg getan hat. Deshalb habe ich schon im Vorfeld zu Fairplay gemahnt.
Und auch festgestellt, dass die Bewerber „das ein oder andere Mal über das Ziel hinaus“ geschossen sind und sich das IOC deshalb gemeldet hat. Was wurde moniert?
In der Phase der nationalen Bewerbung dürfen zum Beispiel keine olympischen Ringe benutzt werden oder es darf das Symbol des NOK nicht eingesetzt werden. Bei manchen Vorgaben gab es da schon einmal das Ausloten des Grenzbereichs und manchmal vielleicht sogar das Überschreiten. Aber das waren alles Kleinigkeiten. Außerdem müssen wir unseren Bewerberstädten zugute halten – und das trifft auch auf das NOK zu -, dass wir ein solches Auswahlverfahren erstmalig durchführen. Sowohl München als auch Berlin haben sich im Vorfeld nicht gegen nationale Konkurrenz durchsetzen müssen.
Wäre es nicht auch diesmal besser gewesen, die Kräfte von Anfang an zu bündeln, anstatt fünf Städte in einen Wettbewerb zu senden, wo sie Kraft lassen und vor allem Geld?
Das Geld ist ja nicht vergeudet. Durch unser Konzept „Städte für Olympia“ binden wir alle fünf Städte in die Fortführung unserer Bewerbung ein. So ist geplant, dass das olympische Fußballturnier in den Bewerberstädten stattfindet. Also auch diejenigen, die am Ende nicht die großen Gewinner sind, werden einen kleinen Sieg davontragen. Insofern, dass sie, den Zuschlag vorausgesetzt, Ausrichter eines Teils von Olympischen Spielen werden.
Was kostet eine Stadt alleine die nationale Bewerbung?
150.000 Euro.
Das ist die Summe, die das NOK erhält. Dazu kommt ein Vielfaches, um sich im Vorfeld profilieren zu können.
Das ist von Bewerberstadt zu Bewerberstadt verschieden. Nur, und das haben uns alle Bewerberstädte gesagt: Die Bereitschaft der Wirtschaft mitzumachen und Geld dafür zu geben, ist übermäßig groß, in vielen Städten mehr als erwartet. Die Wirtschaft sucht ein positives Signal – das könnte Olympia sein.
Für die folgende weltweite Bewerbungsphase hat sich das NOK mit den Bewerberstädten auf einen Betrag von 30 Millionen Euro geeinigt. Wenn die Stadt durchfällt, heißt es wohl: Außer Spesen nichts gewesen.
Wir gehen davon aus, dass die Bewerberstädte zusammen mit dem NOK und der Deutschen Sport Marketing auch einen Großteil dieser Mittel durch Sponsoren und Partner refinanzieren können.
Etwas, das sich auch mit Geld nicht richten lässt und auf das das IOC besonders Wert legt, ist die Rückendeckung der Bevölkerung. Laut Kölner Marktforschungsinstitut Sport+Markt waren im Januar 71 Prozent der Deutschen für Spiele in Deutschland. Reicht das?
Ich denke, ja. Zumal ein guter Teil der Bevölkerung noch gar nicht über die tollen Möglichkeiten Olympischer Spiele informiert ist. Das ist noch unser Auftrag: Die Philosophie und die positiven Ideen von Olympia in Deutschland tiefer und weiter in die Bevölkerung zu infiltrieren.
Zu den 96,6 Prozent Zustimmung, auf die es China gebracht hat, wird Deutschland wohl nicht kommen.
(lacht) Nein. Wahrscheinlich nicht. Da habe ich aber auch lieber eine kritisch reflektierende Bevölkerung.
In Düsseldorf läuft ein Bürgerbegehren gegen den städtischen Beschluss, die Kosten für die internationale Bewerbungsphase bis 2005, eben jene 30 Millionen Euro, zu übernehmen. Hat Düsseldorf jetzt schlechte Karten?
Nein. Dadurch hat Düsseldorf keine schlechteren Karten. Das ist Demokratie.
Herr Dr. Steinbach, geht Ihnen das Thema Olympia nicht manchmal auch auf den Geist?
Nein, nein, nein. Ich bin ja noch jung im Präsidentenamt und habe gerade die ersten 100 Tage hinter mir. Außerdem bin ich seit meinem 15. Lebensjahr mit dem olympischen Virus infiziert; da habe ich erstmals realisiert, was es bedeuten kann, wenn ich selber mal dabei bin. Seither habe ich mich auf Olympia konzentriert, zunächst als Sportler, danach im Ehrenamt.
Welchen Vorteil hat es für den Präsidenten, selbst olympische Medaillen gewonnen zu haben?
Es ist einfacher, einen Draht zu den Athleten aufzubauen. Zumal ich den ja noch aus meiner Zeit als Chef de Mission in Sydney habe. Da habe ich schon im Vorfeld der Spiele versucht, möglichst die gesamte Olympiamannschaft irgendwo in Trainingslagern zu treffen. Die Athleten kennen also ihren Präsidenten – und ich kenne die Sportler. Die wissen, dass sie mit Problemen jederzeit zu mir kommen können.
Aus Ihrer aktiven Zeit stammt eine Irritation, die es bei Ihrem Amtsantritt beim Thema Doping gab. Sie haben 1977 bei einer Anhörung im Bundestag gesagt: „Es wäre wirklich fast unvorstellbar, wenn wir in Deutschland hingehen und alles verbieten. Wir Leistungssportler werden international mit den Konkurrenten gemessen, die sportmedizinisch entsprechend anders eingestellt sind.“ Bereuen Sie diese Sätze heute?
Nein. Ich bereue diese Sätze nicht. Weil es sich dabei um ein Zitat handelt, das im falschen Zusammenhang verwendet wurde. Ich habe diese Sätze gesagt, als über Nahrungsergänzung und Vitamine gesprochen wurde. 1976, ein Jahr davor also, wurden ja erstmals Anabolika verboten, was zu mehreren Diskussionsforen führte. Und auf einem von diesen habe ich gesagt, dass unerlaubte Leistungsbeeinflussung ganz klar geächtet werden muss, dass es aber nicht sein kann, dass wir übers Ziel hinausschießen und am Ende sogar die Vitamin-C-Tablette verbieten, nur um auf der sauberen Seite zu sein. Sie sehen: Mit Zitaten kann man auch Unheil anrichten
Glauben Sie an die Möglichkeit eines dopingfreien Sports?
Nein.
Ein Steinbach-Zitat: „Ich werde alles dafür tun, dass wir in Deutschland so sauber wie möglich unseren Leistungssport tun.“ Was heißt das?
Das heißt, Maßnahmen zu ergreifen, die es den Dopern schwer machen, nicht erwischt zu werden. Zum Beispiel durch entsprechende Kontrollen. Früher waren die Kontrolleure drei Generationen hintendran, mittlerweile sind sie den Tätern viel enger auf die Pelle gerückt. Wir müssen in die Lage kommen, jederzeit unangekündigte Trainingskontrollen durchführen zu können – und das weltweit. Das Risiko, erwischt zu werden, muss so groß werden, dass keiner es mehr einzugehen wagt. Wenn auf der Autobahn alle zwei, drei Kilometer ein Blitzer stehen würde, würden wir langsamer fahren. Das garantiere ich Ihnen.