: Iran baut Atomprogramm aus
Präsident Chatami kündigt Brennelementefabrik an. Uranmine eröffnet, Reaktoren werden weitergebaut. USA befürchten angesichts eines Raketenprogramms den Bau von Atombomben. Nuklearinspektoren für Ende Februar eingeladen
von REINER METZGER
Der Iranische Staatspräsident hat die Weltöffentlichkeit mit neuen Einzelheiten des Atomprogramms seines Landes überrascht: Mohammed Chatami erklärte jetzt, die Regierung habe die Herstellung von Kernbrennstäben und die Urananreicherung im eigenen Land beschlossen. Sie sollen in zwei Atomanlagen in Isfahan und Kashan aus eigenen Uranvorkommen produziert werden. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) sei schon 2002 darüber informiert worden, so der Leiter der iranischen Atombehörde, Gholam-Resa Aghasadeh.
Damit ist das Land einen Schritt weiter auf dem Weg zu einer geschlossenen inländischen Herstellungskette vom Uranabbau bis zum AKW. Laut gültigen Verträgen will der Iran für sein bisher einziges AKW Buschir den Brennstoff aus Russland importieren. Auch wurde laut Chatami eine Uranmine entdeckt. Sie liege rund 200 Kilometer von der Stadt Jasd entfernt, der Abbau habe bereits begonnen.
Iranische Offizielle betonen immer wieder, dass sie keineswegs ein atomares Rüstungsprogramm verfolgen. Wegen des rasant wachsenden Bedarfs an Strom dürfe sich das Land nicht nur auf seine Erdgas- und Ölvorräte verlassen, so die Argumentation. In den nächsten 20 Jahren werde der Iran 6.000 Megawatt Strom mehr brauchen, den Kernkraftwerke liefern sollten, sagte im Dezember der iranische Außenminister Kamal Charrasi.
Eric Arnett vom schwedischen Friedensforschungsinstitut Sipri wies schon vor Jahren darauf hin, dass sich der Iran hüten werde, Israel und den USA einen Vorwand für ein militärisches Eingreifen oder einen Luftangriff auf Atombetriebe zu liefern. Andererseits arbeitet der Iran an einem Raketenprogramm. Er kaufte Know-how und Technik aus Nordkorea und Russland. Die daraus resultierende iranische Eigenproduktion „Schihab 3“ erziele „zufrieden stellende“ Resultate und eine Reichweite von 1.600 Kilometern“, so der Direktor des Moskauer Instituts für Strategische Studien (PIR), Wladimir Orlow, im Dezember letzten Jahres. Die ballistische Rakete kann mit dieser Reichweite den als Hauptfeind eingestuften Irak, aber auch Israel erreichen.
Wenn auf die Schihab Atomsprengköpfe montiert werden sollen, ist ein ganzes Spektrum aufwändiger Technik nötig: von hochreinem Plutonium oder stark angereichertem Uran bis zu komplizierter Elektronik.
Die USA beschuldigen den Iran schon lange, unter anderem das AKW in der südiranischen Hafenstadt Buschir (häufig auch nach englischer Art „Bushehr“ geschrieben) für die Erzeugung von Plutonium zu nutzen. Dieses AKW wurde in den Siebzigerjahren unter dem Schah von der deutschen Siemens/KWU begonnen, 1979 nach der islamischen Revolution aber gestoppt. Mit Hilfe russischer Technik wird der Rohbau seit Jahren zum AKW aufgerüstet und soll als 1.000-Megawatt-Reaktor des Typs WWER-1000 schon Ende dieses Jahres in Betrieb gehen. Ein zweiter Reaktor ist mit den Russen bereits vertraglich vereinbart.
Beim Betrieb eines solchen Atomkraftwerks entsteht Plutonium. Das müsste jedoch für einen Bombenbau in einer aufwändigen Wiederaufbereitungsanlage aus den Brennstäben gewonnen werden. Eine solche WAA hat das Land nach westlichem Kenntnisstand jedoch nicht.
Inspektoren sollen nun die Unschuld des Iran beweisen: „Wir haben für Ende Februar den IAEO-Chef Mohammed al-Baradei selbst eingeladen, unser Land zu besuchen und auch unsere Atomprojekte zu besichtigen, damit jegliche Fehldeutung ausgeräumt wird“, sagte gestern Gholam-Resa Aghasadeh von der Atombehörde.