Die Fremdbestimmten

Studie belegt: TV-Macher arbeiten oft unter Bedingungen, die mit dem hippen Image der Film- und Fernsehwelt wenig zu tun haben. Ein System von Befehl und Gehorsam erstickt viel Kreativität, in der Branche greift Fatalismus um sich

MÜNCHEN taz ■ Medienkrise hin oder her: Die Unterhaltungs- und Fernsehindustrie gilt nach wie vor als Branche der Zukunft. Denn hier wird teamorientiert gearbeitet, kreative Quereinsteiger sind willkommen und die Auf- wie Abstiegschancen scheinen grenzenlos. Bis neulich wurde sogar recht gut verdient.

Doch nicht nur die Bezahlung hat – krisenbedingt – erheblich gelitten. Eine Studie des Münchener Instituts für Sozialwissenschaftliche Forschung (ISF) belegt, dass der vermeintliche Weg in die selbstbestimmte Arbeitszukunft geradewegs in die Vergangenheit führt. „Fremdbestimmung, hohe Belastungen und vielfältige Unsicherheiten“ kennzeichnen die in der Branche üblichen freien Beschäftigungsverhältnisse. Vor allem die „freien technischen und kreativen Mitarbeiter arbeiten oft unter Bedingungen, die längst vergangenen und überwunden geglaubten Zeiten zugeordnet werden“. Nicht etwa die eigenverantwortliche Arbeit im Team, sondern „ein streng hierarchisches System von Befehl und Gehorsam“ bestimme den Arbeitsalltag vieler vom ISF beforschten Mitarbeiter, sagt Kira Marrs, Koautorin der Studie. Als „unfair, ausbeuterisch und zum Teil sittenwidrig“ bewerten die Befragten ihre Arbeitsbedingungen – und bleiben trotzdem am Ball. „Die Arbeit an sich ist ja profan: Ich stehe hier um Mitternacht in der Kälte, habe seit acht Stunden nichts gegessen und wickle Kabel auf“, zitiert Marrs einen der Medienknechte. Doch das positive, ja glamouröse Image der hippen Film- und Fernsehwelt macht vieles wieder wett. Und dann ist da noch ein branchenübergreifendes, internes „Prinzip Hoffnung“: die Geschichte vom Kameraassistenten, der ganz unten anfing und heute „Director of Photography“ bei großen Kinofilmen ist.

Doch das tägliche Arbeitspensum lasse kaum Spielräume für kreative Improvisation, so die ISF-Ergebnisse. Zwar wird gerade die Anfangszeit als untergeordnete Arbeitskraft nur als „Durchlaufstation zur selbstbestimmten Arbeit“ gesehen. Die in der Theorie der freien Mitarbeit liegende Illusion des „Ich kann’s mir aussuchen“ sei aber oft eine Schimäre: „Da gibt es unglaubliche Abhängigkeiten“, so Marrs.

In Krisenzeiten regiert der Quotendruck der Sender erst recht, freie Produzenten unterbieten sich gegenseitig mit Dumpingpreisen. Entsolidarisierung greift um sich – doch die Begeisterung für ihren Job und ein gewisser Fatalismus lässt fast alle weitermachen – Lohnarbeit aus Leidenschaft. STG