Grüne Basis in Wien probt den Aufstand

Landesgruppe in der österreichischen Hauptstadt fordert den Abbruch der Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP

WIEN taz ■ „Zur Schlachtbank für grüne Schafe“ stand auf der Eingangstür zum Versammlungsraum in der Zentrale der Wiener Grünen. Hinter der hermetisch verschlossenen Pforte fanden sich Montagabend wenige Fürsprecher der Koalitionsverhandlungen mit Wolfgang Schüssels ÖVP. Der Bundesvorstand hatte ausgerechnet Sozialsprecher Karl Öllinger entsandt, um über die Gespräche zu informieren. Er ist der größte Skeptiker im Verhandlungsteam und verbreitete auch keinen Optimimus, was die Kompromissbereitschaft der Christdemokraten betraf. Bisher sei man ihm etwa bei der Forderung nach sozialer Abfederung der schrittweisen Abschaffung von Frühpensionen keinen Schritt entgegengekommen.

Jedoch blieben seine Ausführungen sehr allgemein, da höchste Diskretion über die Verhandlungen vereinbart wurde. Nach dreistündigem Palaver wurde beschlossen, die Parteiführung zum Abbruch der Verhandlungen aufzufordern. Auch bei anderen Landesgruppen wolle man dafür werben. Eine Spaltung sei jedoch zu verhindern.

Der Wiener Parteichef Christoph Chorherr, Freund einer Regierungsbeteiligung, weilte in Südafrika und ließ via Medien ausrichten, er könne zwar die Skepsis seiner Landesgruppe verstehen. Doch möchte er die einmalige Chance nicht gleich abwürgen: „Entweder die ÖVP ist in wichtigen Punkten nicht zu Veränderungen bereit, dann können wir in keine Regierung. Das werden auch die Wähler verstehen, denen Schwarz-Grün lieber ist als Schwarz-Blau. Oder die ÖVP sagt, wir wollen Veränderungen. Da habe ich Grundvertrauen in Van der Bellen und Co, dass sie wissen, wie ein Gesamtpaket aussehen muss. Denn am Ende steht ein Bundeskongress.“

Bei den Gemeinderatswahlen 2001 legten die Grünen auf über zwölf Prozent zu, bei den Nationalratswahlen im November wurden sie in der Hauptstadt von 15 Prozent (9,5 Prozent im Bundesschnitt) gewählt. Die Wiener Landesgruppe ist die stärkste und stellt ein knappes Sechstel der Delegierten beim Bundeskongress, der ein Koalitionsabkommen absegnen muss.

Eine Zustimmung zum Ankauf der umstrittenen Abfangjäger darf die Parteiführung ihrer Basis nicht zumuten. Auch in der Ausländer- und Minderheitenpolitik wird ein klarer Kurswechsel erwartet. Das wissen auch die ÖVP-Verhandler, die bemüht sind, die Wiener Rebellion herunterzuspielen. Chefideologe Andreas Khol: „Es wird über ein Paket verhandelt und nichts ausgeschlossen.“ RALF LEONHARD