neues aus neuseeland: bei den heißen hündinnen von ANKE RICHTER
:

Da soll noch mal einer sagen, in Christchurch sei abends nichts los. Von wegen. Zwar hat Paris das Moulin Rouge, Berlin seine Mitte und Bergisch-Gladbach das Geburtshaus von Heidi Klum – aber Christchurch, das schon vom Namen her so züchtig anmutet, hat seit neuestem das SOL Square. Dort werden Spuren hinterlassen, die tief aus dem Inneren der Nachteulen stammen.

In dem Viertel wurden im vergangenen Jahr lauter neue Bars eröffnet. Dort tobt seitdem das Leben, meist von Donnerstagabend – da man sich freitags während der Arbeit vom Kater erholen kann – bis Sonntagmorgen. Ab Montag toben dann die Besitzer der angrenzenden Läden. Denn in ihre Passagen und Eingänge wird hemmungslos uriniert und erbrochen. „Nie habe ich mir vorgestellt, dass ich so meinen Tag beginnen würde“, berichtet der Manager eines Cafés angewidert. „Schlimmer als bei der Müllabfuhr!“

Tampons, Fäkalien, Scherben, Kondome und Mageninhalt hat der arme Mann bereits zur Seite geräumt. Schlimmer noch: Die Glastür des Cafés ist nach außen hin verspiegelt. „Leute pinkeln draußen an unsere Tür, während wir noch geöffnet haben.“ Die Besitzerin zweier Frisörsalons muss mindestens einmal im Jahr eine eingeschlagene Fensterscheibe ersetzen. Denn wo getrunken wird, wird auch gern zugeschlagen. Christchurch hat seit jeher den Ruf zu verteidigen, außer vielen schönen Gärten viele unschöne Ausschreitungen sein Eigen zu nennen.

Zwielichtig hin, zwielichtig her – zumindest kann man meiner Stadt nicht vorwerfen, dass sie nicht aus ihrem schlechten Image Kapital schlägt. Wie sonst kommt es, dass vorige Woche die „Real Hot Bitches“ ausgerechnet bei uns einfielen? Die „Heißen Hündinnen“ sind ein Frauen-Club aus Wellington, bestehend aus rund 30 Damen. Was sie vereint: Dass sie als späte Teenager mit der Haarbürste als Mikro vorm Spiegel zu „Like a Virgin“ rumhopsten. Jetzt tanzen sie wieder, aber öffentlich, gemeinsam und zu sehr viel Schlimmerem. Frontfrau Candy La Coque – echte Namen tun bei den Bitches nichts zur Sache – umreißt das Gruppenmotto so: „Was wir technisch nicht draufhaben, machen wir mit Leidenschaft wett!“

Ob Nostalgie oder schlechter Geschmack: Auf jeden Fall gibt es wohl auf der ganzen Welt keine Ansammlung von so viel Achtzigerjahre-Begeisterung, wild improvisierter Choreografie und in knallenges Lycra gezwängter Cellulitis. Jane Fonda würde angesichts der Aerobic-Ausstattung der Bitches vor Neid verrecken.

Als die Bitches an einem lauen Oktoberabend auf dem Kathedralenvorplatz von Christchurch die kleine Open-Air-Bühne erklommen, da war die sonst um diese Zeit leergefegte Innenstadt nicht mehr wiederzuerkennen. Über 2.000 Menschen, viele davon mit Stirnbändern, pinkfarbenen Stretchbodys und hochgesprayten Ponyfrisuren verunstaltet, waren den „Real Hot Bitches“ entgegengeeilt. Zu Bon Jovis Hit „Shot Through the Heart“ steppten und drehten sie sich synchron zu den Einheizerinnen auf der Bühne. Ein unvergesslicher Abend: Christchurch hat damit den Rekord im Massentanzen aufgestellt. Es winkt ein Eintrag ins Guinness-Buch. Da ist man doch fast ein wenig stolz auf seine Stadt. Zeit zum Ausgehen!