: Im Buchhandel spielt die Musik
Angesichts der Talfahrt des Musikmarktes suchte das Hamburger Musikunternehmen Edel nach Auswegen – und macht jetzt auch Bücher. Was den Nebeneffekt hat, dass die nun umworbenen Buchhändler in Zukunft dann beides verkaufen können, Bücher und CDs – Hauptsache, von Edel
von KLAUS IRLER
Es ist eine Komposition, die das Auge streichelt, ein Arrangement aus grün, weiß und beige. Grün sind die Bohnen, beige ist der Spargel, weiß sind die Parmesanspäne. Die Bohnen kuscheln sich an den Spargel, der Parmesan liegt flockig obenauf. Gemeinsam sind sie der „Spargelsalat mit Dicken Bohnen und Parmesan“, fotografiert in einem stilvollen weißen Schälchen auf grauem Untergrund.
Es gibt verschiedene Schärfebereiche auf diesem Foto, und Stefan Weikert sagt: „Food-Fotografie ist eine Wissenschaft für sich. Die Speisen werden erst so gekocht, dass sie gut aussehen, und dann muss die Inszenierung für das Foto stimmen. Das ist aufwändig. Und nicht ganz billig.“
Nun ist der Spargelsalat Teil des Bands „Das Kochgesetzbuch“, der kürzlich erschienen ist. Die Pointe bei diesem Kochbuch ist, dass der Autor, nämlich Sterne- und TV-Koch Christian Rach, seine Rezepte mit zeitlos gültigen Tipps versieht – und diese dann Paragraphen nennt. Außerdem ist bemerkenswert, dass das Buch von der Firma Edel gemacht wurde. Die nämlich war bis vor kurzem noch im Tonträgergeschäft unterwegs – und sieht nun im Buch einen lukrativen Zukunftsmarkt.
Mit der Entscheidung ins Buchgeschäft einzusteigen, reagiert Edel auf die beständige Talfahrt des Tonträger-Marktes, der nicht nur unter illegalen Downloads leidet. „Das Buch“, sagt Edel-Verlagsleiter Stefan Weikert, „hat eine andere Qualität als digitale Medien. Man kann es anfassen, es riecht nach etwas, man kann es mitnehmen. Das wird sich auch nicht so schnell ändern.“ Aber trotzdem: ausgerechnet der Buchmarkt mitsamt seinen Konzentrationsprozessen als Heilsbringer? „In der Verlagsbranche wird viel gejammert“, sagt Weikert. „Aus unserer Sicht auf hohem Niveau. Der deutsche Buchmarkt hat im letzten Jahr drei Prozent Wachstum gehabt. Wir kommen aus einem Markt, der liegt sechs Prozent im Minus.“
Edel startete 1986 als reines Musikunternehmen und mauserte sich zum größten unabhängigen Plattenlabel Deutschlands mit über 850 Mitarbeitern. Heute veröffentlicht Edel CDs von Künstlern wie Chris Rea oder Bands wie Deep Purple. Dabei ist die Suche nach Verdienstmöglichkeiten jenseits des CD-Geschäfts nichts neues bei Edel: Bereits vor Jahren fingen die Hamburger an, auch Dienstleistungen wie Vertrieb oder Buchhaltung für andere Labels anzubieten. Außerdem begann man, im firmeneigenen Fertigungswerk im mecklenburgischen Röbel CDs und DVDs auch für andere Firmen zu pressen. Bereits im Frühjahr 2007 kam die Umbennenung von Edel Music AG in Edel AG.
Wenn Edel nun in das Buchgeschäft einsteigt, ist das also der nächste strategische Schachzug, und zwar einer von großer Tragweite: „Musik und Buch sollen letztlich gleichberechtigt nebeneinander stehen“, sagt Weikert. „Edel hat das Ziel, möglichst schnell 50 Millionen Euro Umsatz pro Jahr mit Büchern zu machen.“ Im ersten Halbjahr 2008 machte das Unternehmen einen Umsatz von 76,6 Millionen Euro – noch ohne Bücher.
In diesem Herbst erscheinen die ersten Bücher von Edel, insgesamt sind es gleich mehr als 30. Darunter Sachbücher aus dem Lifestyle-Bereich, also: Bücher über Wohndesign, kulturgeschichtliche Bände über den Minirock oder auch das Sandmännchen. Und Kochbücher. Oder die Biografie des Guns’n’Roses-Gitarristen Slash namens „Welcome to the Jungle“. Oder ein so genanntes Earbook über Hildegard Knef, sprich: Eine Kombination aus CDs und biografischem Bildband. Oder auch schlicht die Knef-Romane, die Edel wieder veröffentlicht.
Inhaltlich wirkt es erstmal wie ein Kessel Buntes, mit dem Edel da auf den Buchmarkt drängt. Was auch an den teils höchst unterschiedlichen Verlagsmarken liegt, innerhalb derer Edel Bücher macht: Da gibt es die Edel Edition, Edelkids, Earbooks, Rockbuch und Moewig. Die ersten drei Marken gründete Edel selbst, die letzten beiden kaufte die Firma zu.
Dabei fällt auf, dass der Moewig-Verlag eigentlich gar nicht zur Ausrichtung des sonstigen Edel-Buchgeschäfts passt: Moewig macht vor allem günstige Ratgeber, bringt Volkslieder neu heraus oder Kochbücher mit Namen wie „Neue Ofen Hits“. Die selbst gegründeten Edel-Marken dagegen setzen auf hochwertige Bücher. Die Idee ist, dass die Leser gutes Papier, guten Druck und stilbewusste Inhalte schätzen – und sich auch etwas kosten lassen.
Wie schon bei den Tonträgern setzt Edel im Buchgeschäft darauf, die gesamte Wertschöpfungskette bei sich zu behalten. Vom Programm über Gestaltung und Druck bis zur Auslieferung: Alles macht man selbst. Dazu nahm Edel 18,5 Millionen Euro in die Hand und erweiterte das firmeneigene Fertigungswerk in Röbel zu einer High-Tech-Druckerei. Als Kooperationspartner holte sich Edel den Verleger und Drucker Gerhard Steidl ins Boot. Steidl, der in seinem Göttinger Verlag nicht nur Günter Grass verlegt, sondern auch rein drucktechnisch international hoch angesehene Fotobände, wird das Label „Edel Platinum supervised by Steidl“ betreuen.
Aber das kommt noch. Erstmal müssen die Hamburger Neu-Verleger ihre aktuellen Bücher in die Buchläden bekommen. Was die vom Musikgeschäft geprägten Edel-Leute als eine vergleichsweise dankbare Aufgabe sehen: Es gibt tausende Buchhändler in Deutschland. Plattenläden dagegen gibt es immer weniger.
Beim Verkauf, so der Plan von Edel-Chef Michael Haentjes, könnten die Buchhändler auch „Absatzmittler für unser Kernprodukt“ werden, also die Edel-Tonträger gleich mit verkaufen. 50 Prozent aller Buchladen-Besucher seien auch CD- und DVD-Käufer, rechnet Edel den Buchhändlern vor und beruft sich dabei auf die Gesellschaft für Konsumforschung. Es ist aus der Sicht eines download-gebeutelten Musikkonzerns eine einmalige Chance, an jene Menschen ranzukommen, die noch Geld für CDs ausgeben. Und aus Sicht der Buchhändler ist es eine Chance, den eigenen Umsatz zu erhöhen.
Edel gibt sich deshalb einige Mühe, etwaige Berührungsängste der Buchhändler mit CDs und DVDs abzubauen: Die Firma bietet den Händlern ganze CD-Programme an, eigens zusammen gestellt für Buchhandels-Kunden. Gleich mit dazu gibt es eigens entwickelte Regale, damit die Händler kein Problem mit dem „Wohin“ haben. Und wer wirtschaftliche Fragen hat, auch dem bietet die Firma Aufklärung an. Zum Beispiel darüber, wie das mit der Preisbindung funktioniert – die nämlich gibt es bei CDs nicht, bei Büchern aber schon. Was wiederum Edel freut: Das „Kochgesetzbuch“ von Christian Rach kostet 29,95 Euro. Auch im Internet.