: Zuwanderung: Union lässt Muskeln spielen
Schönbohm spricht von „Nagelprobe“ für Zusammenarbeit mit Rot-Grün im Bundesrat. Menschenrechtler warnen
BERLIN taz ■ Fast ein Jahr nach der unrühmlichen Abstimmung im Bundesrat steht das rot-grüne Zuwanderungsgesetz heute wieder auf der Tagesordnung in der Länderkammer. Die Bundesregierung hatte das Gesetz unverändert wieder eingebracht, nachdem es vom Bundesverfassungsgericht gestoppt worden war. Die Merheit der unionsregierten Länder wird voraussichtlich zahlreiche Änderungsanträge verabschieden und Verschärfungen, unter anderem beim Familiennachzugsalter, fordern. Danach muss das Gesetz zurück in den Bundestag. Eine Einigung wäre frühestens im Vermittlungsausschuss denkbar. Doch die Chancen stehen schlecht.
Grünen-Chefin Angelika Beer nannte die Änderungsanträge der Union einen „reaktionären Rückschritt“ in der Ausländerpolitik. CDU und CSU wiederum machten bereits deutlich, dass sie den Streit um die Zuwanderung nutzen wollen, um einen Keil in die Berliner Koalition zu treiben. Eine Einigung mit der Union setze voraus, „dass die SPD uns entgegenkommt und weniger Rücksicht auf die Grünen nimmt“, sagte Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU). Sein brandenburgischer Kollege Jörg Schönbohm (CDU) bezeichnete die Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz als „Nagelprobe für die Kooperationsbereitschaft“ von Rot-Grün. Wenn Kanzler Schröder bei der Zuwanderung auf der bisherigen Linie beharre, könne er „in anderen Punkten nicht erwarten, dass wir der Koalition auch nur den kleinen Finger reichen“.
Ein Bündnis von mehreren Menschenrechtsorganisationen warnte gestern, die von der Union geforderten Verschärfungen würden einen „Rückfall in die migrationspolitische Steinzeit“ bedeuten. Die Ziele des einstigen Reformprojektes drohten „ins Gegenteil“ verkehrt zu werden, wenn Rot-Grün darauf eingehe, sagte „Pro Asyl“-Geschäftsführer Günter Burckhardt. Aus Regierungskreisen hieß es, die Innenpolitiker von SPD und Grünen wollten nächste Woche darüber beraten, wie sie auf die heutige Stellungnahme des Bundesrats reagieren. LUKAS WALLRAFF