: Schwerin kippt ins Finanzloch
Ein Defizit von rund 74 Millionen Euro droht Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt – Schuld sind Altlasten und neue Verluste. Im sozialen Bereich soll trotzdem nicht gespart werden, darüber herrscht Einigkeit
Keine leichte Aufgabe, die Angelika Gramkow da ab 1. November erwartet. Dann nämlich übernimmt die Landtagsabgeordnete der Linken das Amt der Schweriner Oberbürgermeisterin – und einen katastrophalen Haushalt. Bereits am Donnerstag beschäftigt sich der Ausschuss für Wirtschaftsförderung in einer Sondersitzung mit den Zahlen des Haushaltsentwurfs 2009. Der wird alles noch viel schlimmer machen: Die Landeshauptstadt ist bereits in Höhe von über 200 Millionen Euro verschuldet.
Der Landesrechnungshof mahnte im April, dass es bis 2010 sogar rund 291 Millionen Miese sein könnten. Daraufhin zog die Stadtvertretung, das Parlament der Kommune, die Notbremse: Es erstellte ein Haushaltssicherungskonzept, das bis spätens 2020 für einen ausgeglichenen Etat sorgen sollte. Dieses Ziel jedoch rückt durch den neuen Haushaltsplanentwurf jedoch in weite Ferne: Den Berechnungen zufolge betragen die städtischen Einnahmen rund 225, die Ausgaben jedoch mehr als 299 Millionen Euro. Dadurch entsteht ein Defizit von rund 74,7 Millionen Euro, das sich aus alten und aktuellen Verlusten zusammensetzt.
„Wir müssen uns dem stellen“, sagt Angelika Gramkow über das Finanzloch. Die Gründe dafür sieht die Diplomökonomin in den „explodierenden Kosten“ im sozialen Bereich – sowie in fehlenden Einnahmen: Wie Mecklenburg-Vorpommern insgesamt leidet auch Schwerin unter den Folgen von Arbeitslosigkeit und Abwanderung. „Die Situation“, ist Gramkow, „ist schon lange schwierig.“ So sei der städtische Haushalt zuletzt im Jahr 2000 ausgeglichen gewesen. Trotz des im Juni beschlossenen Konsolidierungsplans wird dieser Zustand vorerst nicht erreicht werden: So sah der Plan vor, Personal- und Sachkosten in der städtischen Verwaltung langfristig zu reduzieren. Der Haushaltsentwurf für 2009 allerdings veranschlagt allein für die Personalkosten 43,2 Millionen Euro – das sind 2,2 Millionen Euro mehr als in diesem Jahr.
Nicht weniger als 75 Millionen Euro plant Schwerin für den sozialen Bereich ein. Hinzu kommen rund 31 Millionen für den Jugendbereich sowie 18 Millionen Euro für Schulen. Der Rotstift soll hier aber nicht angesetzt werden, darüber sind sich die Fraktionen einig. „In den Bereichen Soziales und Jugend darf nicht mehr gespart werden“, sagte Manfred Strauß, Fraktionsvorsitzender der Grünen, der Schweriner Volkszeitung. Aber auch die Privatisierung kommunaler Gesellschaften sei für ihn kein Ausweg aus der Finanzmisere.
Dem Schweriner Finanzdezernenten Dieter Niesen (SPD) zufolge kommt die Stadt allerdings nicht umhin, alle Bereiche genauestens zu überprüfen: Die finanzielle Situation werde schwieriger, sagte er Anfang Oktober bei der Vorstellung des Haushaltsplanentwurfs – „die See wird rauer“.
UTA GENSICHEN