Der Traum moderner Architektur

Kontroverser Spaziergang: Während Thomas Klumpp am Ort des Geschehens taz-Lesern seine Entwürfe für die Stadthallen-Modernisierung erläutert, informieren die Streiter für den Erhalt des Bauwerks über dessen beeindruckende Dachkonstruktion

Kerstin Tegeler vom Bund deutscher Baumeister redete gleich Tacheles: „Wir sind im Verband mehrheitlich gegen den Umbau der Stadthalle.“ Warum? Ihm „fiele das prägnate Dach zum Opfer“. Tegeler hatte es übernommen, anhand der Stadthallen-Ausstellung im Focke-Museum die beeindruckende Konstruktion der Veranstaltungshalle zu erläutern. Dann machte sich der Tross auf den Weg zum Tatort selbst: 30 taz-Leser diskutierten in der Stadthalle mit Fachleuten über die Qualitäten des Bauwerks – und die des neuen Entwurfs.

Der stammt vom Bremer Architekten Thomas Klumpp (Universum, Kongresszentrum). Der Umbau soll die Stadthalle um um fast 3.500 Sitzplätze erweitern. Dafür aber muss er die Dach-Konstruktion aus Seilen und Spannbeton zerstören. Die gilt als Wunderwerk, weil sie ihre technischen Möglichkeiten voll ausnutzt und zugleich die äußere Gestalt des Baus bestimmt. Der Traum moderner Architketur war es immer, dass alles an einem Bauwerk sinnvoll ist. Hier scheint er ins Werk gesetzt.

Klumpp stellte seine Pläne beim Architekturspaziergang selbst vor. Es gehört zu seiner postmodernen Architekturauffassung, dass er in diesem „respektlosen“ Umgang nicht nur keinen Sündenfall sieht. Vielmehr präsentierte er sich als den wahren Anwalt des Funktionalen. So sei die Stadthalle vor allem zu repräsentativen Zwecken gebaut worden. Denen aber genüge sie heute nicht mehr. Erhalten will er die zum Bahnhof weisenden Arme des Bauwerks. Auf das Dach aber sattele er „einen Rucksack“. Es sei dann nicht mehr gespannt sondern werde von klassischen Stahlträgern gehalten. So entsteht Platz für neue Tribünen. Man könnte es als gehässigen Coup bezeichen, dass durch den Umbau die bisher ummanteltenStahlseile sichtbar werden, obwohl sie dann nichts mehr spannen. Klumpp heiter: „Das ist Betrug, wenn sie so wollen.“ Ohnehin sei in Bremen die Halle „nie beliebt“ gewesen. „Markant ja, aber nicht beliebt.“ Gesprächsbedarf bestand zur ökonomischen Begründung des Umbaus. Braucht Bremen einen Veranstaltungsort von der Größe der Arenen in Hamburg und Hannover? Klumpp: „Das entscheide ich nicht.“

Cheftechniker Andreas Adolph, der die Besucher durch die Stadthalle geleitete, nannte immerhin die offizielle Begründung. „Wir waren mal auf Platz eins in Norddeutschland. Da müssen wir wieder hin“. Die ganz großen Stars müssten wieder nach Bremen kommen. Und die Hamburger sollen dann hierher ins Madonna-Konzert fahren? „Warum nicht“, so die Antwort. Elke Heyduck

Die Diskussion geht weiter: Donnerstag, 19 Uhr, im Focke-Museum